Schwulenhass war Tatmotiv

Prozessbeginn gegen radikalen Islamisten, der in Dresden einen Homosexuellen erstach

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein 21-jähriger IS-Anhänger, der Anfang Oktober 2020 in der Dresdner Innenstadt zwei Männer mit einem Messer attackierte, einen tötete und den anderen schwer verletzte, »identifizierte« beide als Schwule und wollte sie für diese nach seiner Überzeugung schwere Sünde bestrafen. Das erklärte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft zum Auftakt des Prozesses gegen den Syrer vor dem Dresdner Oberlandesgericht (OLG). Dem Angeklagten werden Mord, versuchter Mord und schwere Körperverletzung vorgeworfen. Der Prozess wird vor einer Staatsschutzkammer geführt und findet in dem Hochsicherheitstrakt statt, in dem auch gegen die Rechtsterroristen der »Gruppe Freital« verhandelt wurde. Wegen der Corona-Pandemie sind nur sehr wenige Zuschauer und Journalisten im Saal zugelassen.

Nach dem tödlichen Angriff, der in einer Gasse zwischen Zwinger und Kulturpalast erfolgte, richtete sich der Blick zunächst auf die radikal-islamistische Einstellung des Täters. Dieser war 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen, wurde von Sicherheitsbehörden ab 2017 als islamistischer Gefährder eingestuft und ein Jahr später vom OLG zu einer Jugendstrafe verurteilt, weil er für den Islamischen Staat (IS) geworben hatte. Erst fünf Tage vor dem Messerangriff war er aus der Haft entlassen worden.

Zu möglichen Motiven, warum er ausgerechnet das 55 und 53 Jahre alte Touristenpaar aus Nordrhein-Westfalen angegriffen hatte, sagten die Ermittler anfangs nichts. Ein Sprecher der damals zuständigen Staatsanwaltschaft Dresden erklärte, man äußere sich nicht zur sexuellen Orientierung von Tatopfern. Verbände wie der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) hatten dagegen betont, für Täter bei homophoben Gewalttaten sei die sexuelle Orientierung der Opfer »gerade nicht unbedeutend, sondern zentral«. Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Queeres Netzwerk Sachsen betonte, es sei wichtig, Lesben-, Schwulen- und Transfeindlichkeit als Motiv für Gewalttaten zu benennen; nur so werde derlei Gewalt sichtbar. Das Netzwerk verurteilte den islamistischen Angriff, aber auch dessen baldige Instrumentalisierung von rechts. Der Christopher-Street-Day-Verein Dresden regte an, einen Gedenkort für die Opfer des Angriffs einzurichten.

Vor Gericht äußerte sich der Angeklagte zunächst nicht zu seinen Motiven; er wolle sich »schweigend verteidigen«, erklärte sein Anwalt. Ein forensischer Psychiater, der ihn im Gefängnis zur Tat befragt hatte, berichtete, die Männer seien angegriffen worden, weil sie sich an den Händen gehalten hätten. Der Täter habe sie von hinten niedergestochen. Schon in der vorangegangenen Haft habe er den Vorsatz gefasst, »Ungläubige« töten zu wollen, und sich dabei auf den Koran berufen. Nach der Entlassung wurde der Täter von sächsischen Sicherheitsbehörden observiert, aber nicht rund um die Uhr, was nach der Tat für viel Kritik sorgte.

Zum Auftakt des Prozesses sagte Sachsens Opferbeauftragte Iris Kloppich, es sei von »grundlegender Bedeutung«, dass die »verabscheuungswürdige Tat strafrechtlich aufgearbeitet wird«. Radikal-islamistische Angriffe seien, fügte sie hinzu, »Angriffe auf unsere Demokratie«.mit dpa

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