Bremen: Ex-Bamf-Leiterin vor Gericht

Prozess trotz Entlastung von Vorwürfen rechtswidriger positiver Asylbescheide. Einstellung erwaret

Eine regelrechte Kampagne hatte es 2018 gegen Ulrike B., die damals bereits ihres Postens enthobene Chefin der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), gegeben. In bis zu 1200 Fällen sei unter ihrer Ägide Menschen zu Unrecht Asyl gewährt worden, hieß es. Am Ende erwiesen sich die Vorwürfe als haltlos. Von mehreren Hundert blieben einige Dutzend Asylfälle, in denen es zu fehlerhaften Entscheidungen gekommen sein soll. Im November 2020 teilte die Staatsanwaltschaft mit, sie habe den vorangegangenen Beschluss des Landgerichts Bremen akzeptiert, wonach der Regierungsdirektorin keine Verstöße gegen das Asyl- und Ausländerrecht mehr vorgeworfen werden.

Ulrike B. war seit 2014 wegen angeblich zu großzügiger Auslegung der Rechtslage in den Fokus der Nürnberger Bamf-Zentrale geraten. Sie war bereits 2017 nach 23 Jahren aus ihrem Amt entfernt worden.

Ein Hauptverfahren vor dem Landgericht Bremen gegen die ehemalige Behördenleiterin und einen Rechtsanwalt wurde am Donnerstag dennoch eröffnet. Ulrike B. werden 14 Straftaten zur Last gelegt. Laut Staatsanwaltschaft soll sie in sechs Fällen Dokumente manipuliert und in sechs weiteren Dienstgeheimnisse an den Mitangeklagten weitergegeben haben. Außerdem gehe es um Vorteilsnahme: Die Beamtin habe sich zweimal von dem Anwalt eine Hotelübernachtung bezahlen lassen. Der auf Asylrecht spezialisierte Jurist aus Hildesheim wurde wegen acht »Taten« angeklagt. Der 42-Jährige habe ausreisepflichtigen Flüchtlingen zum Untertauchen geraten. Außerdem soll er zwei Geflüchtete zum »missbräuchlichen« Stellen von Asylanträgen »angestiftet« haben.

Die Verteidiger der Beschuldigten räumten die Vorgänge ein. Sie argumentierten aber, das Verhalten ihrer Mandanten sei nicht strafbar gewesen. B. habe das Geld für die Übernachtungen, zweimal 65 Euro, dem Anwalt in bar übergeben, damit er die Rechnung bezahlt. Bei den angeblich verratenen Dienstgeheimnissen seien Dokumente weitergeleitet worden, auf die ein Anwalt ein Recht habe. »Wir halten die Vorwürfe so nicht für verurteilungsfähig«, sagte Lea Voigt, eine der Verteidigerinnen von B. Sie kritisierte zudem die 2018 von Bamf und Staatsanwaltschaft betriebene Vorverurteilung der heute 60-Jährigen. »Der Schaden, der für unsere Mandantin entstanden ist, ist kaum wiedergutzumachen«, sagte Voigt.

Nach Angaben eines Gerichtssprechers könnte es bereits am Dienstag zur Einstellung des Verfahrens kommen. Die Verteidiger der Angeklagten hätten in einem sogenannten Rechtsgespräch nach Verlesung der Anklage intensiv dafür geworben. Auch das Gericht ließ demnach erkennen, es sei einem solchen Schritt gegen Geldauflage »nicht abgeneigt«. Die Staatsanwaltschaft bat sich Bedenkzeit aus. Ursprünglich waren zwölf Verhandlungstermine bis Mitte Juni angesetzt.

Einer der Auslöser der »Bamf-Affäre« war eine 2017 veröffentlichte Studie der Universität Konstanz zum »Anerkennungsverhalten« in den Außenstellen des Bamf gewesen. Dadurch war offenbar geworden, dass die Anerkennungsquote in Asylverfahren in Bremen über längere Zeit hinweg über dem Bundesdurchschnitt gelegen hatte. Allerdings wurde laut Bamf in dem Bundesland auch im vergangenen Jahr 50,5 Prozent aller Asylbewerber ein Schutzstatus gewährt. Der Bundesdurchschnitt lag bei 43,1 Prozent.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -