Nicht die letzte Affäre

Kurt Stenger über staatliche Verstrickung in den Wirecard-Skandal

Immerhin: Aktien des Finanzdienstleisters Wirecard hatten weder Kanzlerin Angela Merkel noch Finanzminister Olaf Scholz noch Wirtschaftsressortchef Peter Altmaier, wie die Großen Drei diese Woche im Untersuchungsausschuss des Bundestags aussagten. Kommerzielle persönliche Interessen verfolgte die Regierung nicht. Und doch beließ sie es auch nach der Finanzkrise bei zu laxen Kontrollregelungen und interessierte sich auch nicht allzu genau für ein Unternehmen, für das man aber außenpolitisch in China Türen zu öffnen half.

Die drei Regierungsvertreter sagten zu ihrer Rechtfertigung, mit dem Wissen von heute hätte man seinerzeit anders gehandelt. Das lässt sich natürlich nicht anzweifeln. Wäre der bandenmäßige Milliardenbetrug früher aufgeflogen, wäre vieles anders gelaufen. Und damit so etwas nicht wieder vorkommt, hat man immerhin die Aufsichtsregeln verschärft, auch wenn deutlich mehr wünschenswert gewesen wäre.

Die Regierung steckte nicht bewusst mit Kriminellen unter einer Decke. Die eigentlichen Verfehlungen sind deutlich schwerer zu fassen: dass gut vernetzte Lobbyisten bei staatlichen Stellen ein- und ausgehen, dass wichtige Beamte für Privatfirmen manches drehen können, dass Geheimdienstler mit Managern kungeln, dass auf intransparente Weise die Regierung sich im Ausland für bestimmte Unternehmen einsetzt. Für all das gibt es kaum Regeln, wie der Wirecard-Untersuchungsausschuss deutlich gemacht hat.

Als Lehre aus den Promi-Vernehmungen könnte man daher ziehen, dass es echte Compliance-Grundsätze auch für staatliche Stellen braucht. Der Begriff steht für das Einhalten von Gesetzen und von gesetzten ethischen Standards. Deshalb müsste das Parlament mehr Einblick und mehr Einfluss bei der Kontrolle der Regierung erhalten. Doch die anhaltende Coronakrise brachte das Gegenteil: eine Stärkung der Exekutive. Wirecard wird nicht die letzte Affäre bleiben.

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