- Politik
- Klage gegen Klimaschutzgesetz
Meilenstein für Klimaschutz
Verfassungsgericht fordert Nachbesserung beim Klimaschutzplan der Bundesregierung
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Klage gegen das 2019 beschlossene Klimaschutzgesetz ist eine Zäsur in der deutschen Rechtsprechung. Junge Fridays for Future Aktivisten und Umweltverbände hatten geklagt. Das Klagerecht der Umweltverbände wurde verworfen. Allerdings wurde das Klagerecht der jungen Menschen besonders betont. Sie würden in ihren Freiheitsrechten beschränkt, wenn die Bundesregierung für die Zeit nach 2030 keine ausreichenden Regeln zur Reduktion von Treibhausgasen festlegt.
Deutlicher: Wer heute nicht für den Klimaschutz von morgen sorgt, schränkt das Leben junger Menschen und zukünftiger Generationen ein. Das soll nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht passieren. Klimaschutz steht im Grundgesetz, die Pariser Klimaziele sind verpflichtend und Treibhausgase beeinflussen »nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens«. Bis zum 31. Dezember 2022 hat die (nächste) Bundesregierung nun Zeit, den Klimaschutz auch über das Jahr 2030 hinaus genauer zu regeln.
Dadurch entfalten sich enorme Möglichkeiten und ein Thema für den anstehenden Wahlkampf, das jetzt noch drängender ist. Konzepte für eine größere Reduktion von Treibhausgasen gibt es genug. Erst vor einer Woche stellten die »Scientists for Future« eine Studie vor, wie die Energieversorgung in Deutschland bis 2035 nahezu klimaneutral sein kann. Auch in anderen Themenfeldern gibt es zahlreiche Debatten, etwa wenn es um das Ende der Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren geht. Auch hier könnte es nach dem Karlsruher Urteil schneller gehen.
Für Optimismus dürfte das heute gefällte Urteil auch bei den am Rand der Kohlelöcher lebenden Menschen, die von Umsiedlungen bedroht sind, sorgen. Menschen wie Eckhard Heukamp, die gegen die Zerstörung ihres Zuhauses klagen, dürften sich durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestärkt fühlen. Wenig begeistert hingegen sind wohl die Lenker der deutschen Braunkohlereviere. Bisher dürfen sie bis 2038 Kohle abbaggern. Das wurde von der Bundesregierung als Erfolg für den Klimawandel verkauft, von Umweltverbänden hingegen scharf kritisiert. Denn ein früherer Kohleausstieg hat das Potential, einen enormen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen beizusteuern.
Für ebenso wenig Freude dürfte die Entscheidung in den Parteizentralen von CDU, FDP und SPD gesorgt haben. Alle drei Parteien haben unzureichende Klimaschutzprogramme. Die FDP setzt auf den Emissionshandel, bei den Sozialdemokraten gibt es vor allem ein Programm für die 2020er Jahre und der CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet zeigte erst jüngst, bei der Vorstellung seiner Pläne für das Rheinische Revier, dass er seine Verdienste für den Kohleausstieg 2038 als ausreichenden Beleg seiner Klimaschutzkompetenzen ansieht.
Bei den Grünen und der Linken sieht es besser aus. Sie haben schon jetzt Programme und Forderungen aufgelegt, die weit über die Ziele des Klimaschutzgesetzes hinausgehen. Das könnte für beide Parteien ein Pluspunkt im Wahlkampf sein. Gerade für die Grünen könnte es Koalitionsverhandlungen mit der Union oder auch mit SPD und FDP erleichtern. Mehr Klimaschutz ist jetzt eine Pflichtaufgabe des Bundesverfassungsgerichts und kann nicht mehr so leicht als Klientelpolitik abgetan werden.
Allerdings birgt die Karlsruher Entscheidung auch Risiken. Erst Anfang des Monats hatten sich zahlreiche Pro-Atomenergie-Organisationen in einem Offenen Brief an die EU-Kommission gewandt und den Neubau von Atomkraftwerken gefordert. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts trommeln sie gegen den Atomausstieg und für neue Kraftwerke in Deutschland. Auch Erdgas könnte eine noch wichtigere Rolle spielen, gibt es doch in fast allen Parteien Politiker, die den fossilen Energieträger als Brückentechnologie für den klimagerechten Umbau Deutschlands anpreisen. Aus Panik, Ideenlosigkeit oder wirtschaftlichen Interessen könnte also auch nach der Entscheidung zum Klimaschutzgesetz noch auf fragwürdige Abkürzungen zur Bewältigung der Klimakrise gesetzt werden.
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