- Kultur
- Aufarbeitung des Nationalsozialismus
Jurabücher ehren Nazis
Institut für Zeitgeschichte untersucht die Geschichte von Namensgebern juristischer Standardwerke
München. Sollten Justiz-Standardwerke, die nach Juristen aus der Zeit des Nationalsozialismus benannt sind, umbenannt werden? Diese Frage wird derzeit in Bayern wissenschaftlich geklärt. Das Justizministerium hat das Münchner Institut für Zeitgeschichte mit der Erstellung einer entsprechenden Studie zu den NS-Juristen Otto Palandt und Heinrich Schönfelder beauftragt. Das Münchner Ministerium informierte darüber nach eigenen Angaben am Donnerstag auch das Bundesjustizministerium sowie die Justizministerien der Länder.
Bei den in der Kritik stehenden Werken handelt es sich um den »Schönfelder«, eine Gesetzessammlung, und den »Palandt«, einen Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Der Münchner Verlag C.H. Beck hält bislang an den Titeln fest. Man habe sich intensiv und kritisch mit Palandt, seinem Werk und der Geschichte des Verlags auseinandergesetzt. Die Beibehaltung des Namens sei keinesfalls als posthume Würdigung von Otto Palandt zu verstehen. Den Auftrag an das Institut für Zeitgeschichte begrüßt der Verlag aber. Man sei »gerne bereit, die Untersuchung, soweit gewünscht, zu unterstützen«, heißt es in einer Stellungnahme.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) schrieb an seine Ministerkollegen, er halte es für unerlässlich, dass das historische Bewusstsein für das nationalsozialistische Unrecht in allen Bereichen geschärft werde. »In welchem Umfang Palandt und Schönfelder mit ihren Tätigkeiten in das NS-Unrechtsregime verwickelt waren, ist bislang noch wenig bekannt. Für eine fundierte Bewertung der beiden Personen ist die bestehende Forschungsliteratur noch nicht ausreichend.« Eisenreich strebe eine umfassende Aufarbeitung an, hieß es. Die wissenschaftliche Aufarbeitung werde bis zu zwölf Monate dauern, könne aber wegen der Corona-Pandemie wohl erst Ende 2021 beginnen.
Otto Palandt selbst hat nicht viel für den »Palandt« geschrieben. Nur das damalige Vorwort geht auf ihn zurück, wie es auch in einer Festschrift von C.H. Beck von 2016 heißt. Palandt war Präsident des Reichsjustizprüfungsamtes und leitete die Abteilung »Ausbildung« im Reichsjustizministerium. Schönfelder war seit 1943 Kriegsgerichtsrat bei verschiedenen deutschen Kriegsgerichten in Italien und wurde von Partisanen erschossen. Beide waren seit 1933 Mitglied der NSDAP. dpa/lby/nd
Lesen Sie auch: Frühere Nazis in der Ahnengalerie. Die Bundesregierung hat keine Eile bei der »Enttarnung« von Hitlers Nachkriegsjuristen
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.