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  • Kardinal Rainer Maria Woelki

»Alles wird gut«

In Düsseldorf haben Katholik*innen gegen einen Besuch ihres Bischof Rainer Maria Kardinal Woelki protestiert. Sie werfen ihm mangelnden Aufklärungswillen in Fällen von sexualisierter Gewalt vor.

Eigentlich gehören Firmungen zu den Höhepunkten des Jahres für katholische Kirchengemeinden. Der Bischof kommt und jugendliche Gemeindemitglieder werden von ihm in den Kreis »vollwertiger« Katholik*innen aufgenommen. Ein großes Fest, das etwas besonderes sein soll. So oft bekommen die Kirchengemeinden ihren Bischof sonst nicht zu sehen.

In Düsseldorf-Gerresheim, in der Gemeinde St. Margareta, wollen viele ihren Bischof bei der am 9. Juni anstehenden Firmung nicht sehen. 141 Menschen haben einen Brief an ihn unterzeichnet, bitten ihn die Firmung abzugeben. Sie werfen Rainer Maria Kardinal Woelki mangelnden Willen zur Aufklärung in den Fällen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder vor. Die Düsseldorfer Gemeinde hat es besonders schwer getroffen. Gleich zwei ehemalige Priester sollen Kindern und Jugendlichen Leid zugefügt haben. Bischof Woelki kannte die beiden Pfarrer, einen von ihnen seit Jahrzehnten.

Als 2015 bekannt wurde, dass dem Pfarrer sexualisierte Übergriffe vorgeworfen werden, verzichtete Woelki auf eine kirchenrechtliche Untersuchung. Er begründete dies mit der fortgeschrittenen Demenz des Pfarrers. Der zweite Pfarrer wurde 2017 von Woelki zum zum stellvertretenden Stadtdechanten von Düsseldorf befördert. Er ist derzeit beurlaubt. Vorgeworfen wird ihm, gemeinsam mit einem minderjährigen Prostituierten onaniert zu haben. Ein Vertreter des Bistums sprach nach Bekanntwerden des Vorfalls von einer einmaligen Tat, die abgemahnt wurde.

Offen und transparent ist diese Art des Umgangs mit sexualisierten Übergriffen nicht. Deswegen wollen viele Gemeindemitglieder nicht, dass Woelki die Firmung durchführt. Um zu firmen, müsse eine Person »als Christ in seinem Amt und in seinem Handeln glaubwürdig« sein, heißt es in dem Brief an den Bischof. »Sie sind das leider für uns nicht mehr«, ist das Fazit der Düsseldorfer Katholik*innen, die den Brief unterschrieben haben. Es sind Mitglieder und ehemalige aus dem Gemeindevorstand, Chormitglieder und Kommunionshelfer*innen. Die Mitte der Kirchengemeinde. Keine Rebellen.

Trotzdem stehen sie an diesem Donnerstag 100 Menschen vor dem Saal in dem Bischof Woelki mit ausgewählten Gemeindemitgliedern in den Dialog treten will. Sie zeigen ihrem »Bischof« die »Rote Karte«. Auf einem Schild steht: »Ein Bischof, dem die Menschen egal sind, ist Fehl am Platz!« Woelki beeindruckt der Protest wenig. Auf die Frage was er der Gemeinde mitgebracht habe, sagt er »Mich selbst«. Einer Frau sagt er: »Alles wird gut.« Ein Satz, der viele der protestierenden Menschen wütend macht. Sie haben eine ausgeprägte Kritik an Woelki, wollen sich nicht mit solchen Sprüchen abspeisen lassen.

Als Woelki hinter verschlossenen Türen den Dialog beginnt, bleiben auch nur noch wenige Demonstrant*innen vor der Kirche zurück. Sie erzählen über die Gemeinde. Darüber, wie es in den 1990er Jahren Gerüchte über den Pfarrer gab und Eltern ihre Kinder nicht mehr in dessen Jugendgruppe geschickt hätten. Andere sprechen über die Resignation älterer Gemeindemitglieder, die gar nicht über die Übergriffe sprechen wollten, das sei früher schrecklich gewesen und jetzt daran erinnert zu werden, mache es wieder schrecklich. Jemand anderes weiß von einem Gesprächsversuch mit Bischof Woelki in der Vergangenheit zu berichten, der kläglich gescheitert ist. Woelki habe den Kritikern geraten, dass es doch am besten sei, wenn sie aus der Kirche austreten.

Theresa Lennartz gehört zu den Menschen, die vor der Kirche geblieben sind. Sie studiert katholische Theologie in Freiburg, kommt aber aus der Gemeinde in Düsseldorf-Gerresheim. Sie sagt, das Bild gefalle ihr nicht, aber »eine Hirte dem seine Schafe egal sind«, sei nicht geeignet ein Bistum zu leiten. Wütend macht sie auch eine Stellungnahme Woelkis, in der dieser auf den Brief der Gemeindemitglieder reagiert. Woelki spricht von »Meinungsverschiedenheiten« und »entgegengesetzten Positionen«.

Lennartz sagt, dass es um sexualisierte Gewalt geht und »nicht um irgendwas wo man unterschiedliche Meinungen haben kann.« Als Bischof Woelki nach einem zweistündigen Gespräch in der Kirche wortlos an den Demonstrant*innen vorbeigeht und nicht mit ihnen spricht, ist Theresa Lennartz nicht überrascht. Das habe sie so erwartet, sagt sie und redet mit Gemeindemitgliedern, die zu den 40 ausgewählten gehörten, die im Saal mit Woelki sprechen durften.

Rücktritte wären das Minimum
Matthias Katsch: Die Kirchen haben bei der Aufarbeitung sexueller Gewalt gegen Kinder versagt

Einer von ihnen ist Peter Barzel, er hat den Brief an Woelki initiiert. Nach dem Gespräch erzählt er, dass es »sehr emotionale Statements« gegeben habe. Alle seien froh, dass der Termin stattgefunden habe. Woelki habe einen »zugewandten« Eindruck gemacht. Ob er die Firmung durchführt, sei nicht klar. Die Firmlinge sollten dazu noch gehört werden. Er habe »die Hoffnung noch nicht verloren«, dass man gut miteinander umgehen könne, so Barzel. Gerade in der Kirche müsse man das schaffen.

Auf Rainer Maria Kardinal Woelki kommen derweil weitere Vorwürfe zu. Am Donnerstag wurde bekannt, dass beim Münsteraner Bischof Felix Genn eine weitere kirchenrechtliche Anzeige gestellt wurde. Wieder wird Woelki vorgeworfen in einem Fall von sexualisierter Gewalt untätig geblieben zu sein. Woelki äußerte sich am Donnerstag weder zu dieser neuen Anzeige, noch zu seinem Umgang mit der Gemeinde in Düsseldorf-Gerresheim.

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