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Mit heißer Nadel gestrickt

Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Antifaschistin Lina E. - Vorwurf der Mitgliedschaft in krimineller Vereinigung

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach über einem halben Jahr Untersuchungshaft hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen die Antifaschistin Lina E. erhoben. Ihr und drei weiteren Beschuldigten, den Angeklagten Lennart A., Jannis R. sowie Jonathan M., wird vorgeworfen, Mitglieder einer »linksextremistischen kriminellen Vereinigung« zu sein. Lina E. wurde im November festgenommen. Die Behörden attestieren ihr eine gehobene Stellung in der angeblichen Gruppe; sie habe Aktionen »kommandiert«, heißt es auch von der Staatsanwaltschaft. Ihr alter Haftbefehl sei mittlerweile durch einen neuen ersetzt worden. Die übrigen Beschuldigten befinden sich auf freiem Fuß.

Laut Bundesanwaltschaft sollen die Angeklagten konkret zwischen Herbst 2018 und Februar 2020 unter wechselnder Beteiligung an mehreren Angriffen auf »Personen der rechten Szene« in Wurzen, Leipzig und Eisenach beteiligt gewesen sein. Ein weiterer Angriff am 8. Juni 2020 habe wegen »polizeilicher Gefahrenabwehrmaßnahmen« nicht geklappt. »Ausschlaggebend für diese Vereinigung war eine von allen Mitgliedern geteilte militante linksextremistische Ideologie«, teilte die Bundesanwaltschaft mit. Taten seien für »gewöhnlich intensiv vorbereitet« worden und hätten »etwa im Vorfeld die Ausspähung der Lebensgewohnheiten der ausgewählten Tatopfer« eingeschlossen.

Die Vorwürfe klingen schwerwiegend - doch sind sie auch belastbar? Daran haben zumindest die Verteidiger von Lina E. große Zweifel. »Die Behörden nutzten nahezu alle Ermittlungsmaßnahmen, die die Strafprozessordnung hergibt: Telefone und Gespräche in Autos wurden überwacht, umfangreiche Finanzermittlungen und Observationen durchgeführt, Wohnungen durchsucht«, teilten die Rechtsanwälte Erkan Zünbül und Björn Elberling in einer Erklärung mit. Nichtsdestotrotz sei die Anklageschrift mit »heißer Nadel« gestrickt. »Ein erheblicher Teil der Vorwürfe wird sich nicht belegen lassen«, meinen die Juristen.

Vor allem der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer »linksextremistischen kriminellen Vereinigung« wird von den Anwälten infrage gestellt. Zum Beleg habe die Bundesanwaltschaft hauptsächlich die linke Einstellung der Beschuldigten herangezogen, führen sie aus. Weitergehende Informationen über eine reale Organisation würden sich in der Ermittlungsakte nicht finden. Die vier Beschuldigten seien »willkürlich« ausgewählt worden. Vermeintliche klandestine Handlungen seien dazu konstruiert: So habe Lina E. die Miete für ihre Wohnung nicht selbst gezahlt, weil ihre Eltern für den Unterhalt aufgekommen seien.

»Letztlich handelt es sich hier um einen Reflex der Bundesanwaltschaft: Linke, denen man vorwirft, politische Straftaten begangen zu haben, müssen dann eben auch Mitglieder einer ›kriminellen Vereinigung‹ sein, ganz in der Tradition der Nutzung des Paragrafen 129 StGB zur Ausspähung und Einschüchterung einer auch militant agierenden linken Bewegung«, so Zünbül und Elberling. Die Juristen verweisen diesbezüglich auch auf den unterschiedlichen Umgang bei der Strafverfolgung von Neonazi-Terror, »bei dem die Behörden genauso reflexhaft und unabhängig von der tatsächlichen Beweislage von ›Einzeltätern‹ sprechen« würden.

Auch bei den anderen Vorwürfen gehen die Anwälte von einer »sehr dünnen Beweislage« aus. So basiere die Behauptung der »Ausspähung« eines angegriffenen Neonazis auf einem einzigen Beweismittel, dessen Zuordnung zu Lina E. »mehr als fraglich« sei. Eine weitere Tat solle ihr vor allem mit der Behauptung nachgewiesen werden, dass ihr Lebensgefährte auch daran beteiligt gewesen sei. »Wir gehen nicht davon aus, dass solche ›Bonnie und Clyde‹-Logik vor Gericht Bestand haben wird«, so Zünbül und Elberling.

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Die Rechtsanwälte wollen nun beim Oberlandesgericht Dresden beantragen, dass das Hauptverfahren nur wegen eines Teils der Vorwürfe eröffnet wird - und dazu vor dem lokalen Schöffengericht. Eine Entscheidung zu Ort und Zeitpunkt der Hauptverhandlung wird für den Spätsommer erwartet.

Die im November 2019 gegründete »Soko Linx« beim sächsischen Landeskriminalamt stand nach mehreren Misserfolgen unter großem Druck, einen Fahndungserfolg zu präsentieren. Kritiker vermuten, dass nun mit dem Fall Lina E. ein Exempel statuiert werden soll - selbst bei einer nur wackligen Beweislage.

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