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Ist das der König-der-Löwen-Soundtrack?

Wer hat denn so etwas nötig? Moby hat seine alten Lieder neu tupfen und zupfen lassen

  • Maximilian Schäffer
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei der ältesten Klassikschallplattenfirma der Welt, der Deutschen Grammophon, erscheinen die Kompositionen des haararmen Radikalveganers Richard Melville Hall in neuer Bearbeitung. Besonders in den 1990er- und frühen Nullerjahren war er als Moby erfolgreich, sein erster Clubhit »Go« stellte in Großbritannien die Blaupause für sphärische Saufextasen à la »Born Slippy«. 1999 erschien das Album »Play« und bescherte ihm Welterfolge. Darauf folgten mittelerfolgreiche Platten, eine Kollaboration mit David Lynch, eine Halstätowierung »Vegan for Life« und zwei fleischfreie Restaurants.

Ein Best-Of gab es von Moby bislang nicht, jetzt aber spielen ausgebildete Musiker an stromlosen Instrumenten seine alten Kamellen - preiswert genug war das Budapest Art Orchestra. Mobys Musik besteht vorwiegend aus Samples und gleichzeitig gefälligen wie cleveren Synthesizer- und Drumarrangements. Oben genanntes »Go« mit Streichern und Perkussion zu hören, ist tatsächlich beim ersten Mal interessant. »Porcelain« der vielleicht bekannteste Track des Schnitzelscheuen, verträgt hingegen keine Bearbeitung. An dieser Stelle tritt der übliche »Pop-goes-Classic«-Effekt ein - belangloser Beschallungsporno für Hifi-Studios. Dynamischer als zwanzig Jahre alte Computermusik ist eine modern aufgenommene Akustikplatte immer.

»Heroes« von Bowie ist ein Lied, das fast schon obligatorisch auf Tributwerken zu finden ist, seien sie an sich selbst oder nach außen gerichtet. Peter Gabriels Version auf dem entsprechend orchestralen »Scratch My Back« von 2010 machte vor, wie es geht. Gänsehaut auf teuren Lautsprechern erzeugte dessen Laut-Leise-Orgie unweigerlich. Bei Mobys Mauersong gibt’s hingegen nur gezupfte Gitarrenakkorde, gerade Streicher und zartes Gesäusel von Sängerin Mandy Jones.

»God Moving Over The Face Of The Waters« ist, nach Angaben von Moby, der beste Song, den Moby jemals geschrieben habe. Er ist das Resultat einer alttestamentarischen Vision. Im Original von 1995 klingt das 7:22 Minuten lange Instrumental nach einer preiswerten Mixtur aus Philip Glass und Vangelis. Wenn es auf »Reprise« der renommierte Philip-Glass-Interpret, Pianist Víkingur Ólafsson, interpretiert, klingt es noch langweiliger. Die Studienratssoulgospeljazzversion von »Why Does My Heart Feel So Bad« stellt einem die Zehennägel auf. Auf »The Lonely Night« sind tatsächlich Mark Lanegan und Kris Kristofferson dabei. Sie gehen mit senilem Subbass ganz nah ans Mikrofon, weil alte Männer das seit Johnny Cashs Zombiealben nun mal tun.

»We Are All Made Of Stars« und »Lift Me Up« sind Arrangementverbrechen der obersten Güteklasse, spätestens an diesem Punkt weiß der geneigte Zuhörer, dass Herr Melville Hall, übrigens ein Nachfahre des Moby-Dick-Autors, diese Aufgabe besser Kollegen vom Fach überlassen hätte. Stellenweise glaubt man versehentlich, die Kassette mit dem König-der-Löwen-Soundtrack von Hans Zimmer eingelegt zu haben. Dilettantismus goes Megalomanie.

Welcher Musiker hat solche Alben nötig, welcher Mensch kauft solche Platten? Fan von Moby ist man in der Regel nicht aufgrund irgendeiner Tatsache, denn Moby hat nur irrationale Fans. Die wollen Sound hören, aber keine Lieder, die wollen essen aber kein Fleisch.

Die Deutsche Grammophon ging als Bestandteil von PolyGram 1998 in Universal Music auf. Seitdem kommt Müll in gelber Banderole statt im gelben Sack.

Moby: »Reprise« (Deutsche Grammophon)

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