Pedro Castillo auf der Überholspur

Bei den Stichwahlen in Peru kommt der linke Kandidat der rechten Keiko Fujimori immer näher

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Pedro Castillo gibt sich zuversichtlich. Am Montagmorgen mahnte der 51-jährige Präsidentschaftskandidat der marxistischen Partei Perú libre (Freies Peru) zur Geduld: »Wir müssen Vertrauen in die Bevölkerung haben«, sagte er. »Unsere Stimmen müssen noch ausgezählt werden, die Stimmen in den Provinzen.« Aus einer dieser landwirtschaftlich geprägten Provinzen, Cajamarca, kommt Castillo selbst, der Mann aus der Kleinstadt Tacabamba, der sich im Wahlkampf immer mal wieder mit Cowboyhut und hoch zu Ross präsentierte. Dass er dort aufholen wird, daran bestehen keine Zweifel.

Während Keiko Fujimori, die ultrarechte Kandidatin von Fuerza Popular, in den Städten an der peruanischen Küste und in der Hauptstadt Lima ihre größten Zustimmungswerte erhielt, liegen die Wählerbastionen Castillos im andinen Hochland, aber auch in den Amazonasregionen Perus. Dort dauern die Auszählung der Stimmen und die Übermittlung der Ergebnisse traditionell länger, weshalb sich etliche Anhänger von Keiko Fujimori zu früh gefreut haben. Sie gingen Sonntagnacht gegen Mitternacht feiernd auf die Straßen von Lima, weil der Vorsprung ihrer Kandidatin da auf rund fünf Prozentpunkte angewachsen war. Extrem konservativ wurde bereits im ersten Wahlgang in Lima gewählt und diskriminierende Äußerungen gegen den Dorfschullehrer hat es zuhauf gegeben, so Vilma Villanueva. Sie lebt im Zentrum Limas und hat immer mal wieder gehört, dass Unternehmer ihre Angestellten unter Druck setzen, Fujimori zu wählen, wenn sie ihren Arbeitsplatz behalten wollen.

Nach Auszählung von 92 Prozent aller gültigen Stimmen durch das nationale Wahlbüro hatte Keiko Fujimori ihren Vorsprung weitgehend eingebüßt. Gerade ein halber Prozentpunkt ist übrig geblieben, so die Anwältin Ana María Vidal. Sie lebt in Lima, kennt sich als Spezialistin für Menschenrechte mit den Lebensbedingungen in den ländlichen und oftmals indigen geprägten Regionen Perus aus. »In den ländlichen Regionen ist es wahrscheinlich, dass Castillo gewinnen wird, aber es fehlt auch noch die Auszählung der Stimmen der Peruaner*innen im Ausland. Die gelten eher als Anhänger Fujimoris. Keiko Fujimori könnte gewinnen, aber auch noch abgefangen werden«, meint die Juristin. Letzteres wäre aus Menschenrechtsperspektive ein Desaster, denn es gilt als sicher, dass Keiko Fujimori ihren Vater, den ehemaligen Diktator Alberto Fujimori (1990-2000), begnadigen will. Der sitzt jedoch wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen nicht nur in Haft, sondern muss sich derzeit vor Gericht auch der Zwangssterilisation von rund 300 000 indigenen Frauen im Rahmen eines Geburtskontrollprogramms verantworten.

Auch in diesen Prozess könnte Keiko Fujimori zumindest indirekt eingreifen und Interessenpolitik für ihren Vater machen, meint Vidal. Das könnte mit der Wahl Castillos auf der Zielgeraden verhindert werden, aber noch wichtiger ist der grundsätzliche Wandel auf dem Land. »Dort plädieren große Teile der Bevölkerung für den Wandel des Wirtschaftsmodells - für eine Abkehr der Rohstoffförderungsmaxime«, so die Juristin, die derzeit für eine indigene Frauenorganisation arbeitet und regelmäßig in den peruanischen Anden unterwegs ist. Dort leben die Menschen, die dem linken Dorfschullehrer Pedro Castillo ihr Vertrauen schenken, hoffen, dass ihre Probleme in Lima zur Kenntnis genommen werden und das in ein Bildungssystem investiert wird, welches die Entwicklung des Landes vorantreibt.

Sollte Castillo die 46-jährige Fujimori wirklich noch auf der Zielgeraden in den Präsidentenpalast abfangen, dann wäre es nicht das erste Mal. Bereits 2016 hat Keiko Fujimori gegen ihren Kontrahenten, den liberalen Pedro Pablo Kuczynski, verloren. Damals fehlten ihr 40 000 Stimmen und das könnte dieses Jahr wieder passieren. Gerade 70 000 Stimmen trennen die beiden Kandidaten nach Auszählung von 92 Prozent der Stimmen.

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