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Helmut Scholz: »Eine Neuauflage des alten Verhältnisses funktioniert nicht«
Handelsexperte Helmut Scholz zu den Beziehungen zwischen der EU und den USA sowie der westlichen Allianz gegen China
Unter US-Präsident Donald Trump war das Verhältnis zwischen EU und Vereinigten Staaten angespannt, was sich nicht zuletzt bei »Strafmaßnahmen« im Handelsbereich zeigte. Wird Joe Biden beim EU-USA-Gipfel an diesem Dienstag moderater agieren als sein Vorgänger?
Es ist ein demonstratives Signal, dass Joe Bidens erste Auslandsreise nach Europa führt. Das Gipfeltreffen in einer so frühen Phase der Präsidentschaft ist die nach außen getragene Bereitschaft, wieder stärker mit der EU zusammenzuarbeiten. Bidens Ankündigung, auf Sanktionen wegen Nord Stream 2 zu verzichten, wird auf der EU-Seite als Schwenk in der amerikanischen Außen- und Wirtschaftspolitik gedeutet. Zugleich dürfte diese vor allem an Deutschland gerichtete Geste der Preis für die Umsetzung der US-Forderung nach vertiefter transatlantischer Zusammenarbeit gegen den neuen großen politischen und wirtschaftlichen Rivalen China sein.
Dieser Richtungswechsel der Biden-Harris-Administration wird von den EU-Mitgliedstaaten begrüßt und als ein Anknüpfen an die alten Traditionen der transatlantischen Kooperation gefeiert. Das aber würde ich hinterfragen: Wo haben die Europäer eigene Interessenlagen? Lassen sich die EU-Länder nach den Erfahrungen mit Trump einfach wieder auf Gedeih und Verderb in die US-Politik und -Strategie einbinden?
Eine bloße Neuauflage des alten Verhältnisses wird nicht funktionieren: Die heutigen Herausforderungen und globalen Bedingungen sind ganz andere als noch vor fünf Jahren. Und übrigens: Die Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte aus Deutschland und der EU werden noch immer erhoben.
Biden ist mit dem Versprechen angetreten, mit der Trump-Politik zu brechen und die US-amerikanische Gesellschaft zu einen. Ist davon etwas zu bemerken?
Biden will vieles, was Trump an Verzerrungen, Verbiegungen, hinsichtlich der gesellschaftlichen Spaltung angerichtet hat, wieder reparieren. Er setzt auf Verständigung und auf Dialog in der US-amerikanischen Gesellschaft. Inwieweit ihm dies gelingt, ist noch schwer abzuschätzen. Er muss jedoch gerade den vielen jungen Menschen entgegenkommen, die entscheidenden Anteil an seinem Wahlsieg haben und die einen radikalen Bruch mit der Trump-Ära einfordern. Zu Recht: Ein Weiter-so kann es angesichts der Kluft in der US-Gesellschaft nicht geben, soll wirklich eine Modernisierung in Angriff genommen werden.
Aber das amerikanische Geschäftsmodell, das Trump bis zur Perversion trieb, das »America first, Amerika wieder stark machen«, bleibt Grundlage der Wirtschafts- und Gesellschaftsstrategie – ist es doch Voraussetzung für den Anspruch rigoroser Absicherung der dominierenden Rolle in der Weltwirtschaft und in der Weltpolitik.
Und das ist auch Bidens Linie. Daher bin ich überzeugt, dass der EU-USA-Gipfel für Washington auch dazu dienen soll, nicht nur auszuloten, ob man mit den Europäern gegen den globalen Hauptkonkurrenten – China – kooperieren kann. Sondern um Nägel mit Köpfen zu machen. Die Signale aus Brüssel, Berlin, Paris und Warschau dafür dürften Biden optimistisch stimmen.
Also eine europäisch-amerikanische Anti-China-Allianz?
Das wäre eine fatale Entwicklung. Es ist klar, dass die globalen Herausforderungen wie Klimawandel oder die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele nicht gegen-, sondern nur miteinander zu bewältigen sind. Der US-Präsident hat da durchaus Akzente gesetzt, etwa mit dem Wiedereintritt ins Pariser Klimaabkommen. Zugleich zeigt sich, dass es zu wenig Bereitschaft gibt, die Kernsubstanz eigener machtpolitischer Strategien anzutasten, wenngleich neue Räume des Agierens aufgeschlossen werden.
Letzteres ist neu, da unterscheidet sich Biden von seinem Vorgänger. Dazu gehört übrigens auch, Russland einzubinden; ein Treffen Bidens mit Präsident Putin steht diese Woche ebenfalls auf der Agenda. Wenn da wenigstens eine Wiederbelebung atomarer Abrüstung und die Wiedereinsetzung des Open-Skies-Abkommens rauskommen würde, wäre ein wichtiger Punkt gesetzt: Politik und Diplomatie gehen wieder. Insgesamt gehören die gesamten Weltwirtschafts- und Handelsbeziehungen auf den Prüfstand. Handelskriege sind da gar keine Option.
Gerade die Handelskriege scheinen sich aber zu verstärken, auch, weil der internationale Handel offensichtlich mehr und mehr als außenpolitisches Instrument genutzt wird. Insbesondere gegen China.
Da würde ich zustimmen. Ich sehe gegenwärtig wenig Bereitschaft, von Konfrontation auf Kooperation umzusteigen. Im Gegenteil: China wird als die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische »Bedrohung des Westens« definiert und auch wahrgenommen. Es wird mehr und mehr Usus, ja politische Doktrin, unterschiedliche Wertvorstellungen der Ausgestaltung der innenpolitischen gesellschaftlichen Entwicklung zum Ausgangspunkt für die Bewertung in Gut und Böse vorzunehmen. Das widerspricht Geist und Buchstaben der Vereinten Nationen, das widerspricht der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und vor allem der gemeinsamen Verantwortung für die Bewahrung des Weltfriedens und der aktiven Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030. Das widerspricht auch allen Erfahrungen aus der Überwindung der Blockkonfrontation.
Um es ganz dick zu unterstreichen: Menschenrechte, Fragen der Arbeitsstandards, der nachhaltigen Entwicklung, allen voran die Einbeziehung der Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen sind wichtige Aspekte in jedem handelspolitischen Vertragswerk. Aber diese Fragen zu instrumentalisieren, um einen Vorteil gegenüber einem wirtschaftlichen und politischen Konkurrenten zu haben, ist hoch problematisch.
Das ungekürzte Gespräch: www.die-zukunft.eu
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