EU will Deal mit der Türkei fortsetzen

Mit einem neuen Milliardenpaket und einer modernisierten Zollunion wird Ankara weiter in die europäische Flüchtlingsabwehr eingebunden

Eine echte Reform der Asyl- und Migrationspolitik in der EU mit einer fairen Lastenverteilung unter ihren Mitgliedern kommt nicht voran. Produktiver ist der Staatenbund, was die »externe Dimension« der Migrationspolitik betrifft. Damit befasste sich auch der am Freitag beendete Europäische Rat, das Gipfeltreffen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel.

Die Teilnehmer einigten sich auf weitere mindestens drei Milliarden Euro für die Türkei bis 2024. Der EU-Gipfel habe einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission »zustimmend zur Kenntnis genommen«, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Nacht zum Freitag.

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Die als Hilfen für die dort aufgenommenen Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien deklarierten Mittel sind für die mit einer schweren Wirtschaftskrise konfrontierte Türkei eine wertvolle Finanzhilfe. Tatsächlich wird die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan dafür bezahlt, Migranten von der EU fernzuhalten und besitzt damit entsprechend ein Druckmittel. Der neue Beschluss schreibt den maßgeblich von Deutschland initiierten sogenannten Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei vom März 2016 fort. Mithilfe des informellen Abkommens auf Basis einer bilateralen Erklärung wurde der 2015/16 massiv gestiegene Migrationsdruck auf Westeuropa eingedämmt. Die Türkei fordert seit längerem, dass die EU neues Geld bereitstellt.

Der chancenlose EU-Beitrittskandidat und Nato-Partner Türkei ist nicht nur ein wichtiges Aufnahmeland, sondern zugleich auch ein Mitverursacher von Flucht und Migration. Er mischt im Libyen-Konflikt militärisch mit und hält im Norden Syriens sogenannte Schutzzonen besetzt, hat dort die Kurden vertrieben und unterstützt islamistische Milizen. Auch im Inneren werden Vertreter der Kurden und die linke Opposition massiv unterdrückt, kommen Menschenrechte unter den Stiefel. Gleichzeitig kollidiert die expansionistische Politik der Erdogan-Regierung im Mittelmeerraum mit den Interessen von EU-Mitgliedern wie Griechenland oder Zypern. Der Streit um beanspruchte Wirtschaftszonen zur Ausbeutung von Bodenschätzen unter dem Meeresboden im östlichen Mittelmeer, insbesondere Erdgas, war im vergangenen Jahr aufgrund türkischer Provokationen bedrohlich eskaliert. Einstweilen stehen hier die Zeichen auf Entspannung. Dafür gab es auf dem EU-Gipfel in Brüssel ein dickes Lob. Die Teilnehmer begrüßten die Deeskalation in den vergangenen Monaten. Sie erneuerten ihre Zusage, auf dieser Basis zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit der Türkei bereit zu sein.

Die EU-Kommission soll nun nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten rasch Vorschläge für eine Fortsetzung der finanziellen Unterstützung für Ankara auf der Basis des Flüchtlingsdeals vorlegen. Bislang wurden bereits rund sechs Milliarden Euro bereitgestellt. Mit dem Nachschlag soll garantiert werden, dass die Türkei diesen weiter einhält. Er verpflichtet sie dazu, illegal über die Türkei auf die griechischen Inseln kommende Migranten von der EU zurückzunehmen. Im Gegenzug nehmen einige EU-Staaten der Türkei Schutzbedürftige aus Syrien ab. Die Zahl der im Nachbarland Türkei lebenden Flüchtlinge wurde zuletzt mit rund 3,7 Millionen angegeben. Gelder von der EU für ähnliche Zwecke soll es nun auch für die Syrien-Nachbarländer Libanon und Jordanien geben.

Es gehe um eine »für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaft und Zusammenarbeit« mit Herkunfts- und Transitländern, erklärten die Spitzen der EU-Länder in Brüssel. Der Ansatz solle alle Routen umfassen. Die Rede ist auch von einer Bekämpfung der Ursachen. Die EU will dabei helfen, Menschenhandel zu unterbinden. Bis zum Herbst will die EU entsprechende Aktionspläne für Drittstaaten entwickeln. Auf den Umgang mit Flüchtlingen und Migranten innerhalb der EU ging die Erklärung des Europäischen Rates mit keinem Wort ein.

Großes Interesse besteht in Ankara, aber auch auf Seiten wirtschaftlicher Akteure in der EU, an einer Modernisierung der 1995 mit der Türkei geschlossenen Zollunion. Dies könnte vor allem im Agrarbereich und im Dienstleistungssektor den Handel ankurbeln. Schritte dahin waren bereits im Rahmen des Flüchtlingspaktes von 2016 versprochen worden. Als Reaktion auf Repressionen gegen Oppositionelle in der Türkei lagen sie eine Weile auf Eis. Der Gipfel nickte nun den Beginn von technischen Vorgesprächen zur Zollunion ab. Offen bleibt, ob und wann es zu eigentlichen Verhandlungen hierzu kommt. Innerhalb der EU gibt es starke Vorbehalte gegen ein solches Entgegenkommen als Belohnung für das Unterlassen von Provokationen im Mittelmeer-Gasstreit.

Menschenrechtsorganisationen haben die EU-Linie gegenüber der Türkei scharf kritisiert. Die Linke-EU-Abgeordnete Özlem Alev Demirel spricht in diesem Zusammenhang von einer für einer »komplett verfehlten Migrationspolitik der EU«.

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