Werbung
  • Kultur
  • Amazon-Serie »Solos«

Endlich mal wieder mehr Theater

Die Serie »Solos« könnte den Mainstream verändern: Die Stars leiden an Vereinsamung, Verlust und Trauer

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie traumatisierend die Corona-Pandemie in den USA war und immer noch ist, lässt die neue Serie »Solos« auf Amazon Prime erahnen. Nirgends auf der Welt sind so viele Menschen an Covid 19 verstorben, wie in den USA: über 600 000 Menschen. »Solos« ist eine Art filmisch-literarische Aufarbeitung von Vereinsamung, Verlust und Trauer.

Streng genommen thematisiert diese siebenteilige, mit hochkarätigen Stars besetzte Serie gar nicht die noch andauernde Corona-Pandemie, sie wird als solche nicht benannt, auch wenn es in einer Episode mit Uzo Aduba, vielen als Suzanne Warren aus der Serie »Orange ist the new black« bekannt, um eine Person geht, die sich seit zwanzig Jahren zu Hause im Lockdown befindet und nicht mehr vor die Tür traut, obwohl die Pandemie längst vorbei ist, wie ihr ein an »Alexa« erinnerndes KI-Modul versichert. »Solos« erzählt von sieben Menschen aus unterschiedlichen Zeiten, die alle mit ihrer Einsamkeit, dem Sterben, Verlustängsten, verpassten Chancen, begangenen Fehlern und dem Kampf um verlorene Erinnerungen konfrontiert sind. Dabei erinnern alle Episoden von ihrer Machart her eher an das Theater als an Film.

Denn die jeweils gerade mal 20 bis 30 Minuten dauernden Folgen sind gestaltet als szenische Monologe und Dialoge, die in einem Science-Fiction-Umfeld in naher Zukunft angesiedelt sind, ganz ähnlich wie in der Serie »Black Mirror«. Zumeist kommunizieren die Menschen hier außerdem mit Maschinen bzw. mit Künstlichen Intelligenzen, so wie Peg (Helen Mirren), die mit einer Raumkapsel auf einem No-Return-Flug durchs Weltall unterwegs ist und mit dem Bordcomputer über ihr Leben und verpasste Chancen der Liebe redet. Der schwer kranke Familienvater Tom (Anthony Mackie) begegnet seinem KI-Klon und erzählt von seinem Leben, während die Wissenschaftlerin Leah (Anne Hathaway) versucht, sich selbst in der Zukunft zu kontaktieren. Immer wieder geht es darum, einen bestimmten Moment im Leben zu bewahren oder einen geliebten Menschen zu retten; und sei es nur in Form der Erinnerung. Darum wird auch heftig gekämpft. So beispielsweise wie in der Episode mit dem an Alzheimer erkrankten Stuart (Morgan Freeman), der in einem Altenheim, in dem ein Strand simuliert wird, vom jungen Otto (Dan Stevens) aufgesucht wird, der ihm mit Hilfe einer digitalen Technologie Zugang zu seinen verschütteten Erinnerungen verschafft.

»Solos« ist eine überraschende Serie, als das Starensemble, das sich hier die Klinke in die Hand gibt, für gewöhnlich nicht in einem für gängige Sehgewohnheiten so »anstrengenden«, theaterartigem Format auftritt, das für Hollywoods Ästhetik fast schon einen Quantensprung bedeutet. Regisseur David Weil, der vergangenes Jahr für Amazon Prime die kontrovers diskutierte Nazijäger-Serie »Hunters« (unter anderem mit Al Pacino) inszenierte, löst diese Probleme aber sehr geschickt. »Solos« will auch gar keine unterhaltsame Serie sein, die von futuristischen Welten oder von der Pandemie als fiktionalem Wissenschafts-Thriller erzählt. Die Spannung erzeugen vielmehr die Schauspieler, die in der jeweiligen Situation immer erst dazu gebracht werden müssen, ihre Geschichte zu erzählen, nichts zu beschönigen, auch mal verzweifelt zu sein und irgendwann sogar loszubrüllen und ihren Frust rauszulassen. Das wirkt nur selten aufgesetzt und noch seltener gleitet es ins Schnulzige ab.

Diese sehr intimen, fast an psychologische Therapiesitzungen erinnernden Monolog- und Dialog-Stücke bekommen durch die eher knapp und minimalistisch gehaltene Inszenierung als Science-Fiction eine zusätzliche erzählerische Dimension, die es erlaubt, dieses schwergängige Thema trotzdem spielerisch und stellenweise auch mit einer gewissen Ironie zu behandeln. Und ein Stück weit erzählt »Solos« eben auch von der Zukunft, selbst wenn es thematisch in diesen sieben Geschichten immer wieder darum geht, in einem Hier und Jetzt festzustecken und nicht zu wissen, wie diese Situation aufgelöst werden kann.

Diese motivisch miteinander verknüpften und doch so unterschiedlichen Episoden leben natürlich vor allem auch von den beeindruckenden schauspielerischen Leistungen der Blockbuster-Stars, die sich hier ungemein ins Zeug legen, als gelte es zu zeigen, was sie alles können. Ob sich ein breites Publikum für diese filmische Therapie- und Trauerarbeit im Theaterformat begeistert, sei dahingestellt. Die Serie dürfte aber definitiv auf der Nominierungsliste sämtlicher Filmpreise landen.

»Solos« auf Amazon Prime.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -