Orbán zum »Feind der Pressefreiheit« erklärt

Reporter ohne Grenzen: Ungarischer Ministerpräsident gehe rücksichtlos gegen Medien vor

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Mit Viktor Orbán steht zum ersten Mal ein EU-Regierungschef auf der Liste der »Feindinnen und Feinden der Pressefreiheit« der Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF). Die am Montag veröffentlichte Liste umfasst 37 Staats- und Regierungschefs, die laut RSF »in besonders drastischer Weise die rücksichtslose Unterdrückung der Pressefreiheit verkörpern«. Ebenfalls neu dabei sind der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman und die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam.

Seit Orbán und seine Fidesz-Partei 2010 in Ungarn an die Regierung gekommen sind, hätten sie die Medienlandschaft Schritt für Schritt unter ihre Kontrolle gebracht, erklärte RSF. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender seien in der staatlichen Medienholding MTVA zentralisiert worden. Die regionale Presse befinde sich seit 2017 vollständig im Besitz Orbán-freundlicher Unternehmer. Wichtige unabhängige Medien seien ausgeschaltet worden.

Die meisten Neuzugänge in diesem Jahr verzeichnet laut RSF die Region Asien-Pazifik, in der allein 13 der insgesamt 37 »Feindinnen und Feinde der Pressefreiheit« regieren. So wurde die Hongkonger Regierungschefin Lam hinzugefügt, unter anderem weil in der chinesischen Sonderverwaltungszone mit der Zeitung »Apple Daily« ein Symbol der Pressefreiheit seinen Betrieb einstellen musste.

Das ‚Feindbild Journalist‘ ist zur ideologischen Klammer geworden
Ein Interview mit Dr. Lutz Kinkel, dem Geschäftsführer des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit

Erstmals auf der Liste steht auch der brasilianische Präsident Bolsonaro. Er beleidige, verunglimpfe und stigmatisiere kritische Journalistinnen und Journalisten und setze vor allem auf die Onlinenetzwerke, um traditionelle Medien zu umgehen, erläuterte RSF.

Zu den Neuzugängen zählt auch der saudi-arabische Kronprinz bin Salman, dem RSF unter anderem wegen des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft.

In Osteuropa zählt RSF den russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie den belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko bereits seit mehr als 20 Jahren zu rigorosen »Feinden der Pressefreiheit«. Seit Putins Amtsantritt wurden demnach mindestens 37 Reporterinnen und Reporter wegen ihrer Arbeit ermordet, kaum eines dieser Verbrechen wurde aufgeklärt.

In Belarus unterdrücke Lukaschenko die freie Verbreitung von Informationen auf brutale Weise, erklärte RSF. Mehr als 500 Journalistinnen und Journalisten seien seit den im vergangenen Sommer begonnenen Protesten gegen die Regierung festgenommen und im Gefängnis zum Teil schwer misshandelt worden.

An der Wahrheit gespart
Seit über einem Jahr streiken Journalist*innen der staatlichen Nachrichtenagentur Notimex in Mexiko.

»In allen Weltregionen sind neue Namen hinzugekommen«, erklärte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. »Ihre Unterdrückungsmethoden sind verschieden, dienen aber demselben Zweck: Kritische Berichterstattung um jeden Preis zu verhindern.« Auf der Liste finden sich aber auch viele langjährige »Feinde der Pressefreiheit«. Zu ihnen gehören etwa Eritreas Präsident Isaias Afewerki, Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Syriens Machthaber Baschar al-Assad. AFP/nd

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