Magdeburg sagt »Nein« zur AfD

Bei Wahlen zum Landtagspräsidium kommt es zu knappen Ergebnissen. Der Kandidat der Rechten fällt durch

  • Max Zeising
  • Lesedauer: 4 Min.

Der erste Empfang für die neuen Abgeordneten des Landtags von Sachsen-Anhalt erfolgte direkt vor dem Gebäude. Knapp 20 Menschen versammelten sich am Dienstagmorgen auf dem Domplatz in Magdeburg, um für mehr Diversität im Parlament zu demonstrieren. Sie trugen weiße Shirts. Auf ihrem Banner stand das Aktionsmotto: »weißaufweiß«. Das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen (Lamsa), das den Protest organisierte, beklagt mangelnde Vielfalt unter den Abgeordneten. »Etwa 100 000 Menschen mit ausländischem Pass konnten ihre Stimme bei der Landtagswahl nicht abgeben. Zudem fehlt die Partizipation der Migrant*innen in allen Parteien«, sagte der Lamsa-Vorstandsvorsitzende Nguyen Tien Duc. In der Tat: Auch nach der Landtagswahl vom 6. Juni gibt es keinen einzigen Nicht-Weißen im Parlament.

Wenig überraschend also, dass mit Detlef Gürth ein älterer, weißer Mann die 8. Wahlperiode im Landtag von Sachsen-Anhalt einläutete, wobei dieser Umstand auch der Geschäftsordnung geschuldet ist. Der CDU-Politiker aus Aschersleben sitzt seit 1990 ununterbrochen im Landtag. Er ist damit der dienstälteste Abgeordnete und durfte als Alterspräsident die konstituierende Sitzung eröffnen. Er wünsche sich »ein lebendiges und leidenschaftliches Parlament, das mit Herzblut und Sachverstand« agiere, sagte Gürth: »Streit ist nichts Schlechtes, er ist notwendig.« Allerdings müsse dabei immer »die Würde des Anderen« geachtet werden.

Keding und Gallert nur knapp gewählt

Dass dies nicht immer der Fall ist, hat die abgelaufene Legislaturperiode gezeigt. Das lag vorrangig an der Gegenwart der AfD. Das ehemalige Präsidium unter Leitung von Gabriele Brakebusch (CDU), die nicht erneut für den Landtag kandidierte und bei der konstituierenden Sitzung am Dienstag auf der Tribüne Platz nahm, hatte insgesamt 18 Ordnungsrufe verhängt - davon 16 gegen AfD-Abgeordnete und einen gegen André Poggenburg, der im Laufe der Legislaturperiode aus der AfD ausgetreten war. Zum Vergleich: In der vorherigen Periode (2011-2016) hatte es keinen einzigen Ordnungsruf gegeben.

Entsprechend schwer wird die Aufgabe für Brakebuschs Nachfolger, ein demokratisches Miteinander zu organisieren. Der CDU-Kandidat Gunnar Schellenberger wurde mit 64 von 97 Stimmen zum neuen Landtagspräsidenten gewählt - ein durchwachsenes Ergebnis. Der ehemalige Kulturstaatssekretär sagte, er wolle das Parlament »stärker als die Herzkammer der Demokratie im Land sichtbar und erfahrbar« machen. Er unterstrich zudem die Bedeutung gegenseitiger Wertschätzung, des Zuhörens und Ringens um die besten Lösungen.

Noch knapper verliefen die Wahlen der stellvertretenden Landtagspräsidenten. Anne-Marie Keding (CDU), die in der Kenia-Koalition unter Ministerpräsident Reiner Haseloff mit SPD und Grünen als Justizministerin fungierte, bekam gerade einmal 46 Ja-Stimmen. 43 Abgeordnete stimmten gegen Keding, sechs enthielten sich. Auch Wulf Gallert von der Linksfraktion schaffte den Einzug ins Präsidium nur knapp: Der 58-Jährige erhielt 48 Ja-Stimmen, 44 Abgeordnete votierten gegen ihn. Gallert hatte nach mehreren gescheiterten Versuchen, Ministerpräsident zu werden, bereits in der vergangenen Legislaturperiode dem Präsidium angehört und die Sitzungen unaufgeregt geleitet.

Die AfD wiederum scheiterte mit ihrem Kandidaten Matthias Büttner. Der Staßfurter erhielt mit 32 Ja-Stimmen allerdings neun mehr, als die Rechtsradikalen Sitze haben. In der letzten Legislaturperiode hatte die AfD noch einen Vize gestellt: Zunächst hatte Daniel Rausch knapp die erforderliche Mehrheit erreicht, war dann aber nach nur einer Parlamentsdebatte wieder zurückgetreten. Beobachtern zufolge habe er einen überforderten Eindruck gemacht. Sein Nachfolger Willi Mittelstädt hatte dann bis zum Ende der Legislaturperiode dem Präsidium angehört.

Linkes Debakel - Wolfgang Hübner über SPD und Linkspartei in Sachsen-Anhalt.

Die Ablehnung Büttners war erwartet worden, nachdem dieser aufgrund einer Landtagsrede in die Kritik geraten war. Er hatte damit gedroht, einen »mit Fackeln und Mistgabeln« bewaffneten Mob vor die Büros anderer Abgeordneter zu führen. Die AfD kann nun einen Ersatzkandidaten für Büttner nominieren.

Mehr Abgeordnete, mehr Fraktionen

Insgesamt ist das Magdeburger Parlament nach der Wahl vom 6. Juni, aus der die CDU mit 37,1 Prozent (40 Mandate) als Siegerin hervorging, aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten auf 97 Sitze gewachsen. Die Zahl der Fraktionen ist von fünf auf sechs gestiegen: Neu dabei ist nach zehnjähriger Abstinenz die FDP-Fraktion, die sieben Mandate besetzt. Noch nie hat es so viele Fraktionen im Landtag von Sachsen-Anhalt gegeben. Jüngster Abgeordneter ist der 23-jährige Konstantin Pott von der FDP, der bei der konstituierenden Sitzung zunächst die Funktion eines Schriftführers übernahm - ebenso wie Henriette Quade (Linke), die zwar schon 37 ist, aber dennoch unter den weiblichen Abgeordneten die Jüngste.

Unklar ist weiterhin, welche Regierung das Land Sachsen-Anhalt künftig führen wird. Die CDU sondiert aktuell mit SPD, Grünen und FDP. Am wahrscheinlichsten erscheint derzeit eine sogenannte »Deutschland-Koalition« mit Sozialdemokraten und Liberalen, doch auch eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP ist noch im Rennen. Bis zum Ende dieser Woche solle es Klarheit darüber geben, mit wem die CDU in Koalitionsverhandlungen treten will, sagte Landeschef Sven Schulze.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.