Diskurs-Update für die Hosentasche

Laura Hofmann, Felicia Ewert, Fabienne Sand plädieren für einen Feminismus, der alle Menschen einschließt

  • Inga Dreyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Gesellschaftliche Debatten entwickeln manchmal eine Dynamik, in der Menschen den Überblick verlieren, die nicht so nah am Geschehen sind. Feminismus ist so ein Thema, bei dem sich das Gefühl einstellen kann, den Faden zu verlieren. Was bedeutet dieser Begriff eigentlich? Was wollen Feminist*innen heutzutage? Und warum gibt es auch unter Frauen so viele unterschiedliche Meinungen dazu?

Wer sich solche Fragen stellt, dem sei das Büchlein »Feminism is for everyone!« empfohlen. Auf nicht mal 100 Seiten bieten Laura Hofmann, Felicia Ewert und Fabienne Sand kompakte Informationen, die Leser*innen mitten in den aktuellen Diskurs katapultieren.

Die drei Autorinnen haben ein Buch geschrieben, das erklären, aber nicht neutral sein will. »Wir schreiben aktivistisch, essayistisch und manchmal auch autobiografisch«, heißt es in der Einleitung. Laura Hofmann, Felicia Ewert und Fabienne Sand stehen also nicht außerhalb, sondern mittendrin in einer Debatte, die sich dynamisch weiterentwickelt. »Feminism is for everyone!« ist deshalb keine abschließende Antwort auf die großen Fragen des Feminismus, sondern eine Momentaufnahme, aus einer bestimmten Perspektive geschrieben, die Lust machen will, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Die Autorinnen vertreten einen intersektionalen Feminismus, was bedeutet, dass nicht nur das Frausein als relevante Größe betrachtet wird, sondern auch weitere Identitätsaspekte von Menschen betrachtet werden. Ihr Feminismus beschränkt sich nicht auf weiße Frauen der Mittelschicht, die cis sind, sich also mit dem bei ihrer Geburt zugeschriebenen Geschlecht identifizieren können. Die drei treten für einen Feminismus ein, der Menschen in anderen Lebensumständen mitdenkt und unterschiedliche Diskriminierungserfahrungen berücksichtigt. »Es gibt Menschen, die als weiße heterosexuelle Cispersonen von Sexismus betroffen sind. Reden wir aber von einer Schwarzen Transfrau, die beispielsweise keinen Job hat, ist davon auszugehen, dass sie von mehreren Diskriminierungsformen betroffen ist«, erklären die Autorinnen. Aus diesem Grund sind neben dem »Sexismus« auch dem »Rassismus« und der »Transfeindlichkeit« eigene Kapitel gewidmet.

Die drei Frauen schreiben bewusst aus unterschiedlichen Perspektiven und bringen ihre eigenen Erfahrungen in das Buch ein. Fabienne Sand ist Autorin und schreibt unter anderem zu Rassismus, Sexismus und Gleichberechtigung. Felicia Ewert ist Politikwissenschaftlerin, Autorin und politische Referentin zu den Themen Transfeindlichkeit, Transmisogynie, Sexismus und Homofeindlichkeit. Die Germanistin Laura Hofmann arbeitet freiberuflich an politisch-literarischen Projekten.

Hofmann, Ewert und Sand schreiben in »Feminism is for everyone!« pointiert und präzise, vermeiden trotz des essayistischen Charakters inhaltliche und sprachliche Ausschweifungen. Dabei sind sie alltags- und praxisorientiert, geben ihren Leser*innen, die sie direkt per »Du« ansprechen, Tipps an die Hand, wie sie beispielsweise Rassismus erkennen und sich in bestimmten Situationen verhalten können. Die Autorinnen ermutigen, Perspektiven anderer Menschen wahr- und ernst zu nehmen und sich gemeinsam für eine gleichberechtigte Gesellschaft einzusetzen. Das tun sie nicht nur auf einer theoretisch-abstrakten Ebene, sondern sie berichten auch von eigenen Erfahrungen. Dabei geht es nicht darum, eigene Befindlichkeiten in den Fokus zu rücken. Vielmehr fördern diese unterschiedlichen persönlichen Einblicke das Verständnis dafür, worum es beim intersektionalen Feminismus geht.

Mit ihren Erfahrungen stehen die drei Autorinnen stellvertretend für bestimmte Teile der Gesellschaft. Wenn Laura Hoffmann über ihre eigenen Privilegien als weiße Frau spricht, kann das ein Anhaltspunkt und Beispiel für andere weiße Frauen sein, das eigene Verhalten und die eigenen Einstellungen zu hinterfragen. Felicia Ewert, die selbst trans ist, schreibt über Transfeindlichkeit, berichtet von grenzüberschreitenden Fragen zu operativen Eingriffen und klärt über Begriffe und Äußerungen auf, die diskriminierend sind.

Die Autorinnen schreiben über Themen wie sexualisierte Gewalt, unbezahlte Arbeit, geschlechtliche Transition, queere und nicht binäre Identitäten. Mit abgesetzten Info-Boxen heben sie unter anderem Beispiele und Definitionen hervor. Schwer durchschaubar ist dabei, an welchen Stellen die Autorinnen kenntlich machen, wer von ihnen gerade schreibt.

Leser*innen können sich im Literatur- und Quellenverzeichnis Hinweise auf weitere Bücher, Comics, Podcasts und Social-Media-Accounts holen. Noch nützlicher wäre dabei eine übersichtlichere, beispielsweise nach Themen sortierte Gestaltung der Verweise gewesen. Vom Duktus her richtet sich »Feminism is for everyone!« an jüngere Menschen, die dabei sind, sich politisch zu orientieren und eigene Meinungen zu entwickeln.

Genauso gut aber eignet sich das Buch als hand- und hosentaschenkompatible Lektüre für Ältere, Mütter, Väter und Großeltern - und für alle anderen Menschen, die sich für einen kompakten Überblick über aktuelle Debatten und Begriffe interessieren.

Laura Hofmann, Felicia Ewert, Fabienne Sand: Feminism is for everyone! Argumente für eine gleichberechtigte Gesellschaft. Dressler, 80 S., br., 7 €.

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