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Reise in die alte Welt

Zapatisten aus Mexiko suchen auf einer Delegationsreise den Austausch und die Vernetzung mit dem »Europa von unten links«

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 5 Min.

Die berühmte Kolumbus-Statue im Hafen von Barcelona stand am Mittwoch auf dem Programm des »Escuadrón 421« der EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional, Zapatistische Befreiungsbewegung). »Geschwader 421« nennt sich die siebenköpfige Vorhut der zapatistischen Delegation aus vier Frauen, zwei Männern und einer Person anderen Geschlechts, die am 22. Juni mit dem Segelschiff »La Montaña« (Der Berg) nach rund 50 Tagen auf See im spanischen Vigo eingetroffen ist. Der Ort ist kein Zufall, denn nahe von Vigo, in Baiona, landete am 10. März 1493 das Flaggschiff von Kolumbus, La Pinta, nach der »Entdeckung Amerikas« an. Deshalb beginnt hier die »umgekehrte Invasion«, wie die Zapatistinnen und Zapatisten ihre Reise nach und durch Europa humorvoll und zugleich kritisch nennen.

Aufgabe der Vorhut ist es, die Tour der insgesamt etwa 160-köpfigen Delegation vorzubereiten und zu koordinieren - gemeinsam mit Solidaritätsgruppen, mit sozialen Organisationen und Kollektiven aus ganz Europa. Dazu zählen auch etliche aus Deutschland, die die Reise und den Aufenthalt der Zapatisten seit Monaten vorbereiten.

Eine eigene Espressomarke

Zu ihnen gehören auch vier Hamburger Kaffeekollektive, die vor knapp sechs Wochen anlässlich der bevorstehenden Reise einen neuen Espresso auf den Markt brachten. Leticia Hillenbrand vom Hamburger Kaffeekollektiv »Café Libertad« gehörte zu jenen, die die zapatistische Vorhut in Vigo begrüßte, freut sich Bastian Haase vom Kaffeekollektiv La Gota Negra. Sie haben sich zusammengetan, um die Reise zu unterstützten und zur Finanzierung beizutragen. »Viaje Zapatista« steht folgerichtig auf dem blauen Etikett des Espressos und ein Segelschiff mit schwarzer Fahne und rotem Stern ist darunter zu sehen - mehrere maskierte Menschen drängen sich an Bord des Seglers.

Es sind Zapatistinnen und Zapatisten aus dem Süden Mexikos, die sich erstmals in der Geschichte der 1994 bekannt gewordenen, aber bereits 1983 gegründeten Befreiungsbewegung, offiziell auf Reisen begeben. Europa bildet die erste Etappe ihrer geplanten Weltreise, die dem Kennenlernen und dem Austausch dienen soll. Das »Europa von unten links« haben die Zapatisten auf ihrer »Reise für das Leben« im Visier, so heißt es in einem Kommuniqué vom 5. Oktober 2020, in dem das ehrgeizige Projekt vorgestellt wurde.

Reise für das Leben

»Nach den langen Monaten des Corona-Stillstands geht es nun endlich wieder in eine andere Richtung«, hofft Andreas »Pingo« Felsen vom Quijote-Kaffeekollektiv. Gemeinsam mit Bastian Haase von Gota Negra ist er auf die Idee gekommen, den Solidaritätsespresso aufzulegen. Damit soll nicht nur die zapatistische Reisekasse aufgebessert werden, sondern auch die Kollektive, die früher oder heute Kaffeebohnen aus zapatistischer Produktion importieren, näher zusammengebracht werden. Erstmals gemeinsam einen Kaffee zu kreieren, dessen Erlös nach Abzug von Importkosten und Steuern komplett in die Reisekasse fließt, sei ein Zeichen der Verbundenheit, so Felsen. Gräben zuschütten, Differenzen überbrücken und vom anderen lernen - das passt haargenau zum Reiseziel.

Die Zapatisten haben ein historisches Datum zur Visite in Europa ausgewählt - den 500. Jahrestag der angeblichen Unterwerfung von Mexiko durch die spanischen Konquistadoren. Am 13. August jährt sich das historische Datum zum 500. Mal und dann will die Delegation in Madrid auf 500 Jahre systematische Unterdrückung aufmerksam machen.

Kolonialisierung umkehren

Nach der Vorhut wird die nächste Gruppe noch im Juli per Flugzeug erwartet. Anders als die Spanier vor 500 Jahren kommen die Delegierten aus Südmexiko, davon rund zwei drittel Frauen und anderer Geschlechter, nicht um zu erobern, sondern um zu lernen, sich zu vernetzen und neue Organisationsformen entstehen zu lassen. Neben den Zapatisten des EZLN gehören Angehörige des Mexikanischen Indigenen Kongresses (CNI) und eines weiteren Zusammenschlusses von Indigenen aus mehreren Bundesstaaten zur Delegation. Etwa 50 Delegierte sollen später nach Deutschland reisen. »Wahrscheinlich in drei Gruppen in drei verschiedene Regionen und anschließend treffen sich alle in einem Widerstandscamp im Wendland wieder«, gibt Bastian Hasse den derzeitigen Stand der Planungen wieder. Diese laufen auch in anderen Ländern auf Hochtouren und werden sich in den nächsten Wochen dank der Arbeit der zapatistischen Vorhut konkretisieren.

Für Hamburgs vier Kaffeekollektive ist klar, dass neben dem Rösten des Soli-Espressos auch die konkrete Kooperation, der Austausch und die Anbauberatung in den Kaffeeregionen der Zapatisten eine Option für die Zukunft sein könnte. »Die regionale Vernetzung mit Kooperativen, die weiter sind als die der Zapatisten, zum Beispiel in Honduras, wäre genauso praktikabel wie der Besuch hier in der Rösterei«, so Andreas Felsen. Die Quijote-Rösterei ist in Hamburgs kollektiver Kaffeeszene längst zu einem bekannten Anlaufpunkt geworden und das könnte zumindest für einige Mitglieder der zapatistischen Delegation interessant sein.

Gelebte Alternativen

Insgesamt will die Delegation aus dem Süden Mexikos bis zu 30 Länder in Europa besuchen. Vieles hängt von den Kapazitäten der hiesigen Solidaritätsnetzwerke ab. Klar ist aber auch, dass die Delegation aus Mexiko ihre »Reise für das Leben« als Beitrag zu einem potenziellen Wendepunkt in der Geschichte Europas begreift. »Es ist nicht möglich, dieses System zu reformieren, zu erziehen, abzumildern, zurechtzufeilen, zu zähmen, zu humanisieren. (…) Das Überleben der Menschheit hängt von der Zerstörung des Kapitalismus ab. Wir ergeben uns nicht, wir verkaufen uns nicht - und wir geben nicht nach«, heißt es in einer zapatistischen Erklärung.

Basisdemokratische Strukturen, das Ende patriarchaler Gewalt, kapitalistischer Naturzerstörung und von Sexismus, Rassismus und anderen Diskriminierungsformen wird von den Zapatisten nicht nur gefordert, sondern in den Gemeinden auch gelebt - zumindest dort, wo die Zapatisten den Ton angeben.

Das kennen die vier Hamburger Kollektive auch aus eigener Anschauung. Ein Grund, weshalb sie für ihren Espresso »Viaje Zapatista« ausschließlich Rohkaffee von indigenen Kooperativen aus Mexiko, Kolumbien und Indien ausgewählt haben. Ein Kaffee mit Anspruch und für einen besonderen Zweck.

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