Lichtblick im Osten

Die ersten von 1500 kommunalen Wohnungen auf dem Stadtgut Hellersdorf werden bezogen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Das kennen die Erstbezieher von Plattenbausiedlungen gut: Zwischen den Neubauten wird es schlammig.
Das kennen die Erstbezieher von Plattenbausiedlungen gut: Zwischen den Neubauten wird es schlammig.

Diesen Donnerstag wird gefeiert in Marzahn-Hellersdorf. Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) und Lars Holborn von der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gesobau übergeben in einer kleinen Zeremonie den Erstmietern die Schlüssel. Familie Zieris wird bereits kommende Woche in eine Vier-Zimmer-Wohnung am Havelländer Ring einziehen. Das junge Paar hat bereits ein Kind im Kindergartenalter, das zweite ist unterwegs. Anfang des Jahres haben sie intensiv mit der Wohnungssuche begonnen. Sie leben bereits seit zwölf Jahren in Hellersdorf, wegen des Kitaplatzes suchten sie in der Gegend. »Weil wir in Hellersdorf gesucht haben, war es nicht so aufwendig«, berichten sie, Wohnungen mit vier Zimmern seien allerdings Mangelware gewesen. Bisher bewohnen sie drei Zimmer. »Spannend wird noch der Umzug werden«, sagen sie - mitten im Baugeschehen.

Gefeiert wird am Donnerstag die Fertigstellung des ersten Bauabschnittes mit 134 Wohnungen. Insgesamt rund 1500 sollen bis 2023 auf der Fläche des ehemaligen Stadtguts Hellersdorf entstehen, 30 Prozent davon im geförderten Segment. Rund 350 Millionen Euro soll der Bau insgesamt kosten. Das Areal ist eines der 16 neuen Stadtquartiere, die Berlin plant. Mit Förderung kostet eine knapp 86 Quadratmeter große Vier-Zimmer-Wohnung warm etwas über 800 Euro, im frei finanzierten Teil ist es die Hälfte mehr - 1200 Euro.

Bürgermeisterin Pohle hebt hervor, dass weniger als die üblichen 50 Prozent Sozialwohnungen entstehen. »Das gibt uns die Möglichkeit, darauf Einfluss zu nehmen, dass wir auch in Zukunft Quartiere bekommen, in denen Menschen unterschiedlichen Alters und ganz unterschiedlicher sozialer und Einkommenssituationen leben«, begründet sie das. Wichtig für die Akzeptanz von Bauvorhaben sei auch der Mehrwert für die Anwohner. Die Planungsphase war nicht konfliktfrei, Gewerbemieter mussten die maroden Flächen des ehemaligen Stadtguts räumen. In den denkmalgeschützten Gebäuden sollen Kultureinrichtungen sowie Geschäfte mit regionalen Produkten angesiedelt werden.

Bei der Gesobau ist man sehr zufrieden angesichts der rekordverdächtig kurzen Bauzeit, obwohl auch diese Baustelle nicht von coronabedingten Problemen verschont blieb. Seit Grundsteinlegung sind nicht einmal 14 Monate verstrichen.

»Wir haben viele Partizipationstermine auch an diesem Standort gehabt und Bedarfe diskutiert für die Menschen, die hier schon wohnen«, sagt Dagmar Pohle. Im August werde der Grundstein für eine neue Kita gelegt, etwas weiter entfernt werde der Aufbau einer neuen Grundschule vorbereitet, die Kapazitäten in der nahe gelegenen Schule freimachen soll. Pohle freut sich auf auf den »schönen grünen Stadtplatz«.

»Wir haben mit aktuell rund 275 000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Bezirk noch immer nicht die Zahlen von Anfang der 90er Jahre erreicht, als hier etwa 310 000 Menschen lebten«, sagt die Bezirksbürgermeisterin zu »nd«. Das relativiere die Klagen über zu viel Zuzug. Deutliche Worte findet sie für die von CDU-Bundestagskandidat Mario Czaja angekündigte Unterstützung einer Anwohnerklage gegen ein Wohnungsbauprojekt der landeseigenen Degewo in Mahlsdorf wegen angeblichen Verstoßes gegen den Bebauungsplan (»nd« berichtete): »Wer so auf den Dummenfang geht, ist eigentlich für ein politisches Mandat ungeeignet.« Sie appelliert an die Alteingesessenen: »Versuchen Sie sich an die Freude zu erinnern, als Sie eine Neubauwohnung bezogen haben!«

»Die wollen bauen in Marzahn-Hellersdorf«, findet ein Bauverantwortlicher lobende Worte für den Bezirk. Anders sehe es beispielsweise im SPD-geführten Treptow-Köpenick aus. Man überlege, dort keine Projekte mehr zu übernehmen. Wenig Unterstützung für öffentlichen Wohnungsbau gibt es auch vom CDU-geführten Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf. »Am Wiesenschlag in Zehlendorf, wo eines der wenigen bezirklichen Neubauprojekte der Degewo realisiert werden soll, erlässt die schwarz-grüne Zählgemeinschaft im Bezirk immer neue Auflagen. Im Ergebnis werden auch dort fast 100 bezahlbare und barrierefreie Wohnungen weniger gebaut als theoretisch möglich gewesen wären«, sagt der Linke-Spitzenkandidat im Bezirk, Dennis Egginger-Gonzalez, zu »nd«.

Auch weil Bezirke Projekten Steine in den Weg legen, wird 2021 ein maues Jahr für den kommunalen Wohnungsneubau sein. Die sechs landeseigenen Unternehmen rechnen laut ihrer Jahresbroschüre zum Neubau mit nur 4473 fertiggestellten Wohnungen bis Jahresende. Begründet wird das mit Auswirkungen der Corona-Pandemie. Das fünfte Jahr in Folge wird das im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag festgelegte Ziel von 6000 Neubauwohnungen pro Jahr damit deutlich verfehlt: Statt der avisierten 30 000 neuen Wohneinheiten werden in den fünf Regierungsjahren voraussichtlich nur rund 20 500 fertiggestellt sein. Eine »Niederlage« nannte das kürzlich der zum Jahresende ausgeschiedene Vorstand der Wohnraumversorgung Berlin, Jan Kuhnert, gegenüber »nd«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.