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Alternativer Zausel im Sog der 80er
Der Liedermacher Manfred Maurenbrecher schreibt über Erfahrungen mit dem Selbstvermarktungswahnsinn
Manfred Maurenbrecher ist ein Alternativszenengewächs aus den 70ern Westberlins, das sich in die 80er verlaufen hat. Genau wie Heinz Rudolf Kunze, Hans Hartz, Klaus Lage, die Band Spliff oder Ulla Meinecke.
Aus linker Volksnähe entstanden im Jahrzehnt der langen Haare und wallenden Bärte merkwürdige Projekte wie die Mittelhochdeutsch singende Folk-Rock-Band Ougenweide oder Folkloreprojekte wie Zupfgeigenhansel. Männer in Zimmermannshemden und Hosenträgern waren der Ansicht, es sei unheimlich links, wenn sie »Volkslieder« sängen.
Andere reimten lustige Balladen und trugen alle 25 Strophen am Klavier vor, um es der Bourgeoisie mal richtig zu geben. Und noch mal ganz andere gedachten, das »Schweinesystem« der BRD per Rockmusik platt zu machen, indem sie dazu aufriefen, man solle kaputtmachen, was einen selbst kaputtmache. Selbst der Humor wurde in den Siebzigern sehr ernst genommen.
Mit der Neuen Deutschen Welle (NDW) wurden die meisten dieser Helden weggefegt. Auch international war »Volksnähe« nicht mehr gefragt, sondern Gel, Kajal und Schulterpolster. Maurenbrecher gehört zu denjenigen, die wohl irrtümlich erst durch die NDW ins große Geschäft kamen.
Die Geschichte, wie es dazu kam, erzählt er in seinem Buch »Der Rest ist Mut«. Der Untertitel deutet den Grundkonflikt des Künstlers schon an: »Vom Liedermachen in den Achtzigern«. Denn wenn etwas abgemeldet war in den 80ern, dann Liedermacher.
Maurenbrechers Buch zieht seine Spannung aus dem inneren Konflikt des Künstlers. Einerseits will er unabhängige, kritische Liedermacherkunst schaffen, andererseits ein großes Pop-Mainstream-Publikum dafür begeistern. Wie ihn dieser Konflikt mehr und mehr aufreibt, beschreibt Maurenbrecher in vielen kleinen Anekdoten und ausgedehnten Erzählbögen.
Das autobiografische Buch umfasst den Zeitraum von 1980 bis 1989. Bewegte Zeiten. Vor allem, wenn man in Berlin lebte. Der im studentisch-alternativen Milieu Westberlins verwurzelte Maurenbrecher ist 1980 dreißig Jahre alt, lebt bei seinen Eltern und schließt gerade seine Dissertation ab. Noch dominieren Gestalten wie die Komikerband Insterburg & Co die alternative Szene. Auch der junge Akademiker Maurenbrecher gehört mit dem Liedermachertrio Trotz & Träume zum Inventar des Milieus. Als zauseliger, dürrer Mensch mit zerrupftem Bart und gigantischer Brille.
Bei einem Auftritt in einer Pizzeria kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung. Herwig Mitteregger ist da und findet Gefallen an dem Liedermacher. Mitteregger gehörte zur schwer angesagten Band Spliff, bestehend aus der Nina Hagen Band ohne Nina Hagen. Ihr verdanken fleißige Radiohörer Ohrwürmer wie »Carbonara« oder »Da fliegt mir doch das Blech weg«.
Mitteregger bringt Maurenbrecher ins Umfeld des Machers Jim Rakete und dessen »Fabrik«. Dank Raketes Unterstützung bekommt der Alternativ-Zausel einen Plattenvertrag bei der großen Plattenfirma CBS. Der Bart wird gestutzt, die Haare gekürzt. Der Künstler selbst steckt sich in einen Anzug. Jetzt sitzt der Kneipenmusiker plötzlich mit der Band Spliff im Studio. Fünf hochprofessionelle, ausgebuffte Profis, die mit ihm seine verträumten und verqueren lyrischen Songs einspielen sollen.
Daraus entsteht 1982 ein erstes Album. Es folgen Radio- und Fernsehauftritte. Maurenbrecher schlittert äußerst willig in den Selbstvermarktungswahnsinn der Musikindustrie und die Promi-Küsschen-Küsschen-Gesellschaft. Mit dem dritten Album »Feueralarm« erzielt Maurenbrecher einen kommerziellen und künstlerischen Achtungserfolg und tritt in der angesagten Fernsehsendung Rockpalast auf.
Im alternativen Milieu werfen ihm die Freunde vor, sich an den Kommerz verkauft zu haben. Gleichzeitig überholen ihn ähnliche Künstler wie Klaus Lage, Herbert Grönemeyer, Heinz Rudolf Kunze und vor allem Jim Raketes Sekretärin Nena mit ihren großen Erfolgen Mitte der 80er Jahre. Maurenbrecher aber kommt über das untere Mittelfeld nicht hinaus.
Mit »Feueralarm« ist sein kommerzieller Zenit überschritten. Das 1986 herausgebrachte Album erntet gute Kritiken, aber wenig Verkäufe. Jim Raketes Fabrik und auch die Plattenfirma beginnen das Interesse an ihm zu verlieren. Und er an ihnen. Auch privat verwickelt sich Maurenbrecher zusehends in komplizierte Verhältnisse.
Bei einem Auftritt ereilt den Künstler eine Erkenntnis: »Ich machte wie ferngesteuert Mitklatschbewegungen und dachte gleichzeitig: Das bist du nicht? Warum bringst du dich hier her?« Und langsam besinnt er sich auf seine alten Qualitäten. Kleinere Auftritte, kleinere Locations. Bei einem Bad im Baggersee ereilt ihn eine weitere Erkenntnis: »Du bist ein Erzähler, kein Bediener.« 1989 produziert Maurenbrecher ein letztes Album für die Plattenfirma CBS. »Nichts wird so sein wie vorher« ist ein programmatischer Titel. Die Platte verkauft sich nicht gut genug für einen CBS-Künstler, der Vertrag wird nicht verlängert. Die Managerin kündigt.
Die Freundin wird schwanger, die beiden heiraten. Am Ende des Jahrzehnts ist Maurenbrecher wieder in der Liedermacherszene aufgeschlagen und weiß, hier gehört er hin. Doch Berlin und die ganze Bundesrepublik befinden sich im Umbruch. Am Ende des Jahrzehnts steht ein Neuanfang.
Maurenbrecher ist ein straighter Erzähler ohne stilistische Manierismen. Sein Ikarus-Flug durch die 80er entwickelt einen erstaunlichen Lese-Sog. Und am Ende ist man froh für ihn über die weiche Landung.
Manfred Maurenbrecher: Der Rest ist Mut: Vom Liedermachen in den Achtzigern. Bebra, 273 S., geb., 22 €
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