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Bunte Finger gegen Flüssiggas
Rund 2000 »Ende-Gelände«-Aktivist*innen blockieren Gleise und Infrastruktur in Brunsbüttel
An den Aktionstagen des Bündnisses Ende Gelände nahmen von Donnerstag bis Sonntag rund 2000 Aktivist*innen in Brunsbüttel teil. In der Stadt in Schleswig-Holstein ist der Bau eines Terminals geplant, das den Import von flüssigem Erdgas, auch LNG genannt, aus aller Welt ermöglichen soll. Vorab bereitete sich ein Camp mit Workshops und Trainings auf die geplanten Aktionen des zivilen Ungehorsams vor.
Am Samstagmorgen starteten dann drei »Aktionsfinger«, pink, gelb und rot gekennzeichnete Gruppen von Aktivist*innen, in Richtung des Industriegeländes »ChemCoast Park«. Rund 600 Personen beteiligten sich jeweils an den Fingern. »Wir sind das Investitionsrisiko, an uns kommt keine und keiner vorbei, wir werden dieses Terminal stoppen«, erklärte Lotte Fuchs, die Sprecherin des pinken Fingers, während der Aktion.
In der ersten Reihe des Fingers waren pinke Perücken und das Transparent »Neokolonialen Klimakillern den Hahn abdrehen« zu sehen. Dahinter liefen die Klimaaktivist*innen, bekleidet in weißen Maleranzügen und forderten lautstark Klimagerechtigkeit. Die Polizei wollte ein Vordringen der Gruppe verhindern, doch es gelang rund 150 Aktivist*innen, die Strecke der Bahngleise bis hin zum Tor »ChemCoast Park« zu erreichen. Damit war ein Zufahrtsweg zum Gelände blockiert.
Vom Gelände aus warfen zwei Werksmitarbeiter*innen – trotz des Rufes »Wir demonstrieren friedlich« – Steine in Richtung der Protestierenden. Die restlichen 400 Aktivist*innen aus dem pinken Finger blockieren dieselben Gleise einige hundert Meter weiter entfernt, aber von der Polizei eingekesselt. Dirk Scheele, Pressesprecher der Polizei, sprach von einem »deeskalierendem« Umgang mit den Klimaaktivist*innen, man wolle »Dinge – falls nötig – im Dialog lösen, aber bisher tun die ja niemandem weh.«
Während die drei Aktionsfinger in Brunsbüttel rund um die Zufahrten zum Industriepark aktiv waren, gelang es einem weiteren, dem blauen Finger, den Nord-Ostsee-Kanal mit Kajaks für die Schifffahrt zu blockieren. »Der Klimakolonialismus muss ein Ende haben. Mit unseren Kajaks kappen wir heute eine wichtige neokoloniale Handelsroute«, sagte der argentinische Aktivist Esteban Servat.
Auch Niko Graack nahm an der Aktion teil: »Ich hoffe, wir haben gezeigt, dass man mit vertretbarem Aufwand tatsächlich Einfluss auf globale Lieferketten haben kann«, sagte der Aktivist. Ihm sei es wichtig, vor allem die globale, koloniale Dimension des klimaschädlichen Frackings aufzuzeigen. Er sei froh darüber, dass sich auch Aktivist*innen aus Argentinien, Chile sowie dem US-Bundesstaat Texas an den Protesten beteiligt haben.
Beamt*innen versuchten, die Aktivist*innen aus dem Wasser zu ziehen, Graack kritisierte eine »Machtdemonstration« der Polizei sowie »unkoordinierte Manöver der Schnellboote« der Beamt*innen. Eine an der Aktion beteiligte Person rang um Luft, nachdem sie unter ein Boot gezogen wurde. Servat, Graack sowie zwölf weitere Aktivist*innen wurden wegen des »Anfangsverdachts auf Nötigung« in Polizeigewahrsam genommen. Erst am Sonntagmorgen wurden sie entlassen. »Psychisch bin ich fertig, aber in erster Linie war das ein Erfolg«, so Graack. Die Polizei erklärte in einer Mitteilung, dass »polizeilichen Maßnahmen zwingend erforderlich waren«. Es galt, »gefahrenabwehrend« zu handeln.
Samstagnacht traf der rote Finger wieder im Camp ein. Applaudierend wurden die Aktivist*innen empfangen, nachdem sie stundenlang auf einer Zufahrtsstraße ausharrten. Sie hatten zuvor einen Durchbruch an einem Werksgelände versucht, waren aber nicht erfolgreich gewesen.
Der pinke Finger entschloss sich auch noch am selben Abend dazu, sich wieder zu vereinen und als Demonstrationszug über die Hochbrücke über dem Nord-Ostsee-Kanal zu ziehen. Trotz Genehmigung unterband dies die Polizei. Mutmaßlich aus der Befürchtung heraus, dass die Straße blockiert werden könnte. Der gelbe Finger erreichte nach einer Blockade von Bahngleisen eines Werkgeländes am Sonntagmittag wieder das Camp. In Polizeigewahrsam befand sich zu diesem Zeitpunkt niemand mehr.
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