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Geschichten von Hoffnung
Das Buch »Zwei am Puls der Erde« erzählt von Kämpfen gegen die Klimakrise
Während Beira, eine Küsten-Großstadt in Mosambik, im Frühjahr 2019 vom Zyklon Idai fast vollständig zerstört und noch immer nicht wieder ganz aufgebaut wurde, vermittelte der kleinere, nahe gelegene Ort Nhangau ein Jahr später schon wieder ein Gefühl von Normalität. Zwischen Mangobäumen hing die Wäsche an der Leine, in einer Schule ohne Dach wurden Kinder unterrichtet, im Heilkräutergarten blühten Chai und Aloe Vera. So beschreiben es Theresa Leisgang und Raphael Thelen in ihrem 2021 erschienen Reportagebuch »Zwei am Puls der Erde. Eine Reise zu den Schauplätzen der Klimakrise - und warum es trotz allem noch Hoffnung gibt.«
2020 reiste das Berliner Journalist*innen-Paar ein halbes Jahr von Kapstadt in Südafrika bis zum nördlichen Polarkreis, um herauszufinden, wie Menschen in verschiedenen Klimazonen mit steigenden Temperaturen und Meeresspiegeln, Dürren, Stürmen und schmelzenden Polen umgehen. Antonia Teixeira Chikono aus Nhangau, bei der die beiden für ein paar Tage lebten, hat Theresa Leisgang auf der Reise am meisten beeindruckt. Die mosambikische Kleinstadt hat der siebenfachen Mutter viel zu verdanken: Wiederaufbau, Aufklärungskampagnen über Gesundheitsthemen wie HIV und Abtreibungen, einen Kindergarten und nicht zuletzt ein Frauennetzwerk. Hier unterstützen Frauen sich gegenseitig dabei, Bildung und eigene Einkommensmöglichkeiten zu erlangen.
In Gemeinschaft gegen die Klimakrise
»Antonia hat uns den Zusammenhang zwischen der Klimakrise und dem Patriarchat klargemacht. Es sind vor allem Männer, die Frauen unterdrücken und die Natur ausbeuten«, sagt Leisgang. Die Rechte von Frauen und allen nicht-weißen Menschen sowie soziale Gerechtigkeit waren die Schwerpunktthemen von Leisgangs und Thelens Recherchereise. Dazu gehörte auch, ihre eigenen Privilegien als weißes, heterosexuelles, deutsches Paar zu reflektieren. »In Mosambik können die Menschen sich nicht so auf ihre Regierung verlassen wie wir in Deutschland«, sagt Leisgang mit Blick auf die Überflutungskatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Sie seien ganz auf ihre Gemeinschaften und Familien angewiesen.
Die erste eigene existenzielle Krise erlebten die 32-Jährige und ihr drei Jahre älterer Partner in der Corona-Pandemie - einen Monat nach Beginn ihrer Reise, als sie gerade im ostafrikanischen Malawi waren und zur Rückkehr nach Deutschland gezwungen wurden. Ihre Wohnungen in Berlin hatten beide untervermietet, sie brauchten eine andere Bleibe. Und fanden sie im Haus des Wandels, einem feministischen Hausprojekt im Brandenburgischen Heinersdorf. Den vier Monaten, die sie dort verbrachten, bevor sie weiterreisen konnten, sind in »Zwei am Puls der Erde«, das von der Reise zu den Schauplätzen der Klimakrise erzählt, zwei Kapitel gewidmet. An dieser ungeplanten Station lernten die beiden Reisenden, selbst auf eine Gemeinschaft zu vertrauen. »Es geht nicht nur darum, ob wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen. Das ist eine total weiße Sicht auf die Klimakrise und für Menschen wie Antonia die falsche Frage. Für sie ist es schon bei 1,2 Grad ›zu spät‹. Es geht darum, wie wir in der Klimakrise solidarisch miteinander leben können.«
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Im Haus des Wandels gibt es keine Chefin, jede Person, die für eine Weile in dem Haus lebt, zahlt so viel Miete, wie sie aufbringen kann und übernimmt dafür Teile der Haus- und Gartenarbeit. »Ich habe in diesem feministischen Haus als Mann viel gelernt, zum Beispiel, dass es nicht darauf ankommt, wer die erfolgreichste Karriere macht, sondern dass Sorgearbeit viel wichtiger ist. Wie ich mich in eine Gruppe einfügen kann anstatt sie zu dominieren«, sagt Raphael Thelen.
Naturverbundenheit durch Psychedelika
Das spielte auch in anderen Gruppen eine Rolle, die die beiden Journalist*innen besuchten, sobald die Pandemie es wieder zuließ. Von Brandenburg aus ging es weiter nach Großbritannien, wo Leisgang und Thelen unter anderem an einer Waldbesetzung der Aktivist*innen-Gruppe HS2 Rebellion teilnahmen, die sich gegen den Bau einer Bahnstrecke durch uralte Wälder richtet. Anders als den Frauen in Mosambik geht es bei den Waldbewohner*innen nicht um das eigene Überleben. »Trotzdem verstehen sie das als ihre Rolle in der Klimakrise und die können wir nur durch globale Zusammenarbeit bewältigen«, sagt Leisgang.
Ein weiteres Kapitel des Reportagebuchs spielt beim Medicine-Festival im englischen Wasing, auf dem die Klimareisenden die Erfahrung eines psychedelischen Pilztrips machten. Inspiriert wurden sie von Studien am Imperial College in London, die die Wirksamkeit von Psychedelika bei Depressionen belegen. »Für mich war es genau das, was darin beschrieben wurde: Ein heilsames Erlebnis, weil ich mich mehr mit der Natur verbunden gefühlt habe als jemals zuvor«, erzählt Leisgang. Auch das könne ausschlaggebend dafür sein, wie umweltschädlich Menschen sich verhalten oder ob sie erkennen, »warum es sich lohnt, die Erde zu bewahren«.
Der emotionale Zugang zum Thema Klima ist Leisgang und Thelen besonders wichtig. Mit Zahlen und Fakten würden viele Menschen kaum erreicht. Deshalb erzählen die beiden Journalist*innen in »Zwei am Puls der Erde« die Geschichten von Menschen, die andere berühren und bewegen können. Darunter ihre eigenen, indem sie ihre Erlebnisse, Beobachtungen und Gefühle abwechselnd, aus der Ich-Perspektive schildern. Das verstehen sie als ihre Rolle in der Klimakrise: darüber zu schreiben, andere zu inspirieren, die Hoffnung zu stärken. Und am besten in Gemeinschaft zu leben und zu arbeiten.
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Dafür haben sie in diesem Sommer das Netzwerk Klimajournalismus gegründet, um sich mit Kolleg*innen darüber auszutauschen, wie Berichterstattung in Zukunft aussehen muss. Berichte über die Starkregenfälle in Mitteldeutschland, die das Geschehen in den Kontext der Klimakrise einordnen, seien ein gutes Beispiel. »Wir zerstören unser eigenes Zuhause«, sagt Leisgang. Dafür sollten nicht nur Industrie und Politik Verantwortung übernehmen, sondern auch der Journalismus.
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