- Politik
- Coronakrise in Sachsen
Auch in Dresden wächst die soziale Kluft
Sachsen Linke in der Landeshauptstadt erfragt Armuts- und Reichtumszahlen und will gegensteuern
Von der Linksfraktion im Dresdner Stadtrat erfragte Zahlen belegen, dass die soziale Spaltung während der Corona-Pandemie tatsächlich zugenommen hat. Laut Kommunaler Bürgerumfrage 2018 lebten in der als Boomtown geltenden sächsischen Landeshauptstadt etwa 68 700 Personen in armutsgefährdeten Haushalten. Das sind 13 Prozent der Einwohner. Eine gleiche Anfrage vom Juli dieses Jahres ergab für 2020 eine Erhöhung um rund 10 000 verarmte Bürger. Parallel stieg die Anzahl der als einkommensreich geltenden Einwohner um 2600 auf etwa 30 500.
Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) stellte seinen Antworten jeweils die Bemerkung voran, dass er nicht verpflichtet sei, einen allgemeinen Überblick zu verschaffen. Er antworte trotzdem, weil ihn diese Frage auch interessiere. Die Linke-Stadtratsfraktion stellte die Ergebnisse am Mittwoch gemeinsam mit ihrer ehemaligen Bundesvorsitzenden Katja Kipping und dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, vor. Die Bundestagsabgeordnete Kipping ist im Vorwahlkampf häufiger auf Veranstaltungen in ihrer Heimatstadt Dresden zu Gast und nahm am vergangenen Sonntag auch am Elbeschwimmen teil.
»Es herrscht erkennbar Handlungsbedarf«, erklärte der Fraktionsvorsitzende André Schollbach. Mit eigenen Anträgen will die Linksfraktion die »bedenkliche Entwicklung« von Einkommen und Vermögen zumindest mildern und korrigieren. So hält sie die Leistungen an bedürftige Familien aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der schwarz-roten Bundesregierung in Höhe von 15 Euro monatlich pro Kind für völlig unzureichend. Das Ziel einer verbesserten Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben werde so nicht erreicht, auch wenn nur etwa ein Drittel der Anspruchsberechtigten das Geld überhaupt beantragten. Das liege an Desinformation, bürokratischem Aufwand und Folgekosten etwa bei der Mitgliedschaft in Sportvereinen oder der musikalischen Ausbildung.
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Die Dresdner Linkspartei will deshalb eine bessere Information der Leistungsberechtigten auch durch die Jobcenter. Die Jahresunterstützung für Kinder soll von derzeit 180 Euro auf 300 Euro steigen. Schollbach räumte ein, dass dies nur ein erster Schritt sei und eine Stadt allein »die Kapitalismusfolgen nicht beseitigen kann«. Auch Katja Kipping verwies auf allgemeinere Ursachen in der Sozial-, Bildungs- und Steuerpolitik und auf den jahrelangen Kampf der Linkspartei für eine Kindergrundsicherung. Vorläufig hätten es die Kommunen in der Hand, das Bildungspaket besser zu nutzen. Dresden könne dabei eine Vorreiterrolle spielen.
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Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband holte noch weiter aus. »Die Hauptursache liegt in der Verteilungsfrage«, erklärte er. Seit dem Jahr 2006 steige die Armutsquote kontinuierlich und habe 2020 wahrscheinlich 16 Prozent im Bundesdurchschnitt erreicht. Eine Anhebung des Hartz-IV-Grundsicherungssatzes auf etwa 640 Euro würde zwar 24 Milliarden Euro kosten, die Armut unterhalb der 60-Prozent-Durchschnittseinkommensgrenze aber nahezu beseitigen. »Wir hätten es in der Hand, die Armut abzuschaffen«, sagte Schneider. Auf Ursachen der verschärften sozialen Spaltung durch die Coronakrise ging er allerdings nicht ein. Sie waren auch von den Politikern der Linkspartei nicht ausdrücklich erfragt worden.
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