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  • Zwangsräumung in den USA

Job weg, Wohnung weg

Millionen Menschen in den USA droht Zwangsräumung

  • Johanna Soll
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Corona-Pandemie vernichtet und gefährdet weltweit nicht nur Leben und Existenzen, sondern beeinträchtigt auch die Wohnsituation vieler Menschen. In den USA sind seit Ausbruch der Pandemie rund elf Millionen Mieter*innen ganz oder teilweise mit der Mietzahlung in Verzug. Massenhafte Zwangsräumungen werden bislang noch vom Gesetzgeber verhindert. Gebannt ist die Gefahr damit aber nicht.

Grund für die Mietrückstände sind die Massenentlassungen zu Beginn der Pandemie und während des Lockdown. Diese führten unmittelbar zum Verlust des Einkommens. Im Gegensatz zu Deutschland ist in den USA gesetzlich keine Kurzarbeit vorgesehen. Auch besteht überwiegend kein Kündigungsschutz für Arbeitnehmer*innen. Verlieren diese ihren Job, können sie die Miete nicht länger bezahlen und es droht die Zwangsräumung.

Zwar ist das Mietrecht in den 50 US-Bundesstaaten unterschiedlich geregelt. Insgesamt ist es aber viel vermieterfreundlicher als in Deutschland. So kann Mieter*innen bereits gekündigt werden, wenn sie mit einer Monatsmiete in Verzug sind und nicht innerhalb einer drei- bis fünftägigen Frist zahlen. Vermieter*innen können überdies unverzüglich kündigen, wenn Mieter*innen die Miete mehr als einmal verspätet zahlen. Zieht der*die Mieter*in daraufhin nicht sofort aus, kann Räumungsklage erhoben werden.

Um eine Massenobdachlosigkeit während der Pandemie zu verhindern, hatte die US-Gesundheitsbehörde CDC 2020 ein Moratorium für Zwangsräumungen erlassen. Dies lief nach mehrmaliger Verlängerung allerdings Ende Juli aus. Zwar drohte damit eine Räumungskrise. Doch wegen eines Zuständigkeitskonfliktes zwischen US-Präsident Joe Biden und den beiden Kammern des US-Kongresses - dem Senat und dem Repräsentantenhaus - passierte zunächst nichts. Erst politischer Druck des linken Flügels der Demokraten brachte Bewegung in die Angelegenheit. Am vergangenen Dienstag verfügte die CDC eine Verlängerung des Zwangsräumungsmoratoriums um 60 Tage für Corona-Hochrisikogebiete - welche etwa 90 Prozent des Landes ausmachen.

Die Verlängerung des Moratoriums ist vor allem das Verdienst der Kongressabgeordneten Cori Bush aus Missouri. Die 45-jährige Afroamerikanerin sitzt als politischer Neuling erst seit Anfang des Jahres im Repräsentantenhaus. Vor ihrer Karriere in der Politik war die Krankenschwester, Pastorin, Black-Lives-Matter-Aktivistin und alleinerziehende Mutter zweier Kinder vorübergehend obdachlos und lebte mit ihren Kindern in ihrem Auto. Sie wollte die Untätigkeit ihrer Kolleg*innen nicht hinnehmen und campierte daher aus Protest vor dem Kapitol, dem Sitz der US-Regierung. Diese selbst gewählte, aktivistische Obdachlosigkeit einer Politikerin zog genügend mediale Aufmerksamkeit auf sich, um maßgeblich zu einem Einlenken beizutragen.

Doch mit der Verlängerung des Moratoriums wird das Problem lediglich zeitlich nach hinten verschoben. Auf lange Sicht bedarf es einer umfassenden Lösung: eines Erlasses der Mietschulden durch die Regierung. Diese belaufen sich derzeit landesweit auf schätzungsweise 20 Milliarden Dollar und werden fällig, sobald das Moratorium endet. Die allermeisten Schuldner können die Forderungen indes nicht begleichen, also droht derzeit 3,6 Millionen Menschen in den USA demnächst die Zwangsräumung. Damit würde die Zahl der Obdachlosen - aktuell über 550 000 - in die Höhe schießen lassen. Zudem bestünde die Gefahr einer noch schnelleren Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus, da die meisten geräumten Mieter*innen zunächst bei Freund*innen oder Verwandten unterkämen.

Aber auch Vermieter*innen kann vielfach nicht länger zugemutet werden, auf ausstehende Mietzahlungen zu verzichten. Nahezu die Hälfte der Mietwohnungen in den USA gehören Einzelpersonen und nicht Gesellschaften. Diese privaten Vermieter*innen haben oft selbst Verbindlichkeiten gegenüber Banken, die sie erfüllen müssen, und auch bei ihnen kommt es derzeit aufgrund von Mietausfällen zu Privatinsolvenzen.

Die einzig nachhaltige Lösung kann daher nur eine Mieterrettung in Form eines Mietschuldenschnitts sein. Immer wieder hat die US-Regierung in der Vergangenheit Großkonzernen mit großzügigen Hilfszahlungen unter die Arme gegriffen. In der Finanzkrise 2008 rettete die Obama-Regierung die US-Banken und somit die Verursacher der globalen Krise mit einem Rettungsschirm in Höhe von 313 Milliarden Dollar; vom Corona-Rettungspaket der Trump-Regierung über vier Billionen Dollar war über die Hälfte für die Unterstützung von Unternehmen vorgesehen. Diese Rettungsaktionen geschahen stets mit dem Argument, die Konzerne seien für Millionen Arbeitsplätze verantwortlich und letztlich würde mit ihrer Rettung auch den Arbeitnehmer*innen geholfen. Nun ist es an der Zeit, diesen direkt zu helfen, da sie ansonsten ihre Wohnungen verlieren - ohne irgendein Verschulden ihrerseits.

Aufgrund des neoliberalen Wirtschaftssystems der USA ist eine umfassende Rettung der Mieter*innen indes kaum vorstellbar - und das liegt nicht nur an den rechts-liberalen Republikanern, sondern auch am Einfluss finanzkräftiger Lobbyorganisationen. So erhielten ein Komitee der Demokraten-Fraktion im Kongress und die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, Anfang Juni, ein paar Tage nachdem die Gesundheitsbehörde das Moratorium gegen Zwangsräumungen bis Ende Juni verlängerte, millionenschwere Geldspenden von Immobilieninvestoren.

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