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Jedem Haushalt seine eigenen Neurosen

In Małgorzata Szumowskas neuem Film tritt ein rätselhafter Masseur ins Leben der polnischen Oberschicht

Vielen gilt Małgorzata Szumowska als die derzeit wichtigste polnische Regisseurin der jüngeren Generation - zumindest ist sie die bekannteste und Stammgast auf den großen Festivals. Anlässlich ihres 2018 auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären ausgezeichneten Films »Die Maske« erklärte sie der Rezensent in dieser Zeitung gar zur würdigen Nachfolgerin des polnischen Regisseurs Krzysztof Kieślowski. Ähnlich wie ihm gelingt es Szumowska in ihren Filmen, mit einer Art poetischem Realismus Spannungsverhältnisse in der Gesellschaft bloßzulegen und Geschichten zu erzählen, die subtil auf die Brüche und Verwerfungen im gegenwärtigen Polen verweisen.

Auch in ihrem neuen Film »Der Masseur« nähert sich die Regisseurin der sozialen Realität im Land, die wie überall von wachsender Ungleichheit und Ausbeutungsverhältnissen geprägt ist. Erzähltechnisch verlässt sie jedoch den sicheren Boden des Realismus und lässt Magie walten - was dem Film nicht gut tut.

Schauplatz ist eine anonyme Gated Community irgendwo in Polen. Hinter einer Mauer mit bewachter Einfahrt residieren die vermeintlichen Gewinner in mehr oder weniger geschmacklosen Protzvillen, die sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Solche abgeschlossenen Wohnanlagen sind in Polen in den letzten Jahren zuhauf entstanden, so dass sie sich als Sinnbild für eine aus den Fugen geratene Gesellschaft anbieten. Das Anhäufen von materiellem Reichtum sowie das Leben in solch sterilem Pseudoluxus hinterlassen freilich ihre Spuren; jeder Haushalt pflegt seine eigenen Neurosen, der Verlust der Bodenhaftung fordert seinen Preis.

Da kommt der ukrainische Masseur, der wie aus dem Nichts auftaucht und seine Dienste anbietet, gerade recht, um die Insassen des Reichenghettos mit seinen heilenden Händen und hypnotischen Fähigkeiten zum Innehalten zu bringen. Jeden Morgen verlässt er seine Unterkunft in einem tristen Plattenbau, um die exklusive Kundschaft zu beglücken. Seelische Verhärtungen und emotionale Defizite werden offenbar, wenn der auch noch verteufelt gut aussehende Masseur seine magischen Kräfte walten lässt.

Wirklich nahe kommen dem Zuschauer die handelnden Personen allerdings nicht; zu karikierend sind die Bewohner mit ihren diversen Macken und seelischen Nöten gezeichnet, zu rätselhaft und unbestimmt die Figur des Masseurs. Aus den ukrainischen Wäldern in der Nähe von Tschernobyl kommend, erscheint er als mythische Figur ohne Eigenleben. In traumartigen kurzen Rückblenden werden Andeutungen geboten, die die Rätselhaftigkeit jedoch eher verstärken. Szumowska begibt sich damit auf die Ebene des Surrealen, der soziale Aspekt verschwindet dabei weitgehend. Das ist schade, denn der »Der Masseur« ist auch eine Migrationsgeschichte - Hunderttausende Ukrainer pendeln regelmäßig zur Arbeit nach Polen.

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Ebenso überraschend und geheimnisvoll, wie er gekommen ist, verschwindet der Masseur am Ende auch wieder aus dem Kosmos der Villensiedlung und lässt deren Bewohner allein mit ihrer inneren Leere und ihren Neurosen. Aber haben diese etwas anderes verdient? Einer eindeutigen Moral verweigert sich der Film. Leider bleibt damit offen, was er überhaupt will.

»Der Masseur«. Polen 2020, Regie und Buch: Malgorzata Szumowska. Mit Alec Utgoff, Agata Kulesza, Weronika Rosati, 120 Min.

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