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Ist doch nur Politik – zur Ästhetik des Wahlkampfs (2): Die Distanzlosigkeit der SPD
Mit der SPD und Olaf Scholz verhält es sich so wie mit der Wetterinfo auf dem Mobiltelefon. Wird die Regenwahrscheinlichkeit mit 15 Prozent angegeben, glaubt man das gern, packt nichts ein, geht wandern und wird nass. In den aktuellen Umfragen steht die SPD viel besser da als erwartet. Liegt das an ihrer Kampagne?
Ihre Plakate sehen gut aus: durchkomponiert und wiedererkennbar. Vor allem das dominierende Rot, die alte Farbe der Linken, überrascht, wollte die Partei doch seit dem Abgang von Lafontaine immer nur in die Mitte. Damit sind alle ihre letzten Spitzenkandidaten bei Bundestagswahlen krachend gescheitert – wie Scholz kamen sie vom rechten Flügel. Auch das neue, für SPD-Verhältnisse relativ linke Führungsduo Saskia Esken / Norbert Walter-Borjans hat das nicht verhindern können. Doch anders als früher sind die Parolen auf links gedreht: »Jetzt faire Mieten wählen« oder »Jetzt sichere Arbeit und Klimaschutz wählen«, immer verbunden mit der Behauptung: »Scholz packt das an«. Damit erinnert diese Kampagne an den alten Markenkern der SPD: »soziale Gerechtigkeit«. Gab es zwar nie so richtig, wenn sie an der Regierung war, aber trotzdem: Der Kampf soll weiter gehen. Auf den Plakaten steht SPD jetzt als Abkürzung für: »Soziale Politik für Dich«.
Dabei schaut Scholz so normal aus wie ein abgründiger Charakter aus einem Claude-Chabrol-Film. Vielleicht ist es dieses Langweilige und Gewöhnliche, sozusagen der Merkelismus des Scholz, der ihm und der SPD den leichten Vorteil in den aktuellen Meinungsumfragen eingebracht hat? Gegen den verspannten Laschet und die streberhafte, aber doch fehlerhafte Baerbock. Das einzig wirklich Lächerliche ist der Stimmzettel für die Briefwahl, den er auf mehreren Plakaten in der Hand hält, als wäre das sein neuer Gesellschaftsvertrag. Dabei ist das wohl eher eine Aufforderung: Wählen Sie heute noch SPD, morgen könnten Sie sie schon wieder hassen.
Nein, stimmt nicht ganz. Denn bei der SPD wird man derzeit geduzt, als wäre man bei ihr Mitglied. Dem Ankumpeln geben sich 2021 auch die Grünen (»Bereit, weil Ihr es seid«) und die Linkspartei (in Berlin meint Klaus Lederer: »Mit Euch mach ich das«) hin. Doch bei Scholz wird die Distanzlosigkeit zum Drei-Worte-Schwur eingeschmolzen: »Respekt für dich«. Nicht das Illusionäre stört, sondern das falsche Sprachgefühl. Man kann nicht für jemand Respekt haben, sondern nur vor jemandem. Das mag im Deutschrap anders sein, aber in der Politik des Bundesfinanzministers?
Die Angst im Blick. Ist doch nur Politik – zur Ästhetik des Wahlkampfs (1): Die CDU und Armin Laschet
Doch Scholz ist ein Realist, an dem die Realität abperlt. Bislang hat er seine Probleme in Helmut-Kohl-Tradition ausgesessen: Polizeigewalt beim G20-Gipfel in Hamburg, Cum Ex und Wirecard – war da was? »Respekt für dich« und hoch die Tassen! Zugegeben, Sprache verändert sich, aber auch die SPD? Sie hatte stets die Tendenz, sich »den schlechten Realitäten anzupassen (und sich diesen zu unterwerfen)«, wie Wolfgang Abendroth schon vor knapp 60 Jahren schrieb. Hat die SPD Respekt vor sich oder macht sie alles mit?
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