- Kultur
- Jan Böhmermann
Hitlerbärtchen - Palim, Palim
Ulf Poschardt echauffiert sich: In einer Parodie dichtete ihm Jan Böhmermann angeblich ein Hitlerbärtchen an.
Jan Böhmermann und das »ZDF Magazin Royale« sind aus der Sommerpause zurück - und das schon mit dem nächsten Skandal. Als Ulf Poschardt verkleidet parodiert Böhmermann den Aufruf des »Welt«-Chefredakteurs an kündigungsgeneigte Leser*innen, ihre »WeltPlus«-Abos doch zu behalten. In ziemlich monotoner Stimme und mit ordentlich cringe erklärte da Poschardt, was sein Medium so alles zu bieten hat. Für Böhmermann sind solche Peinlo-Videos ein gefundenes Fressen, zumal die politische Linie und Themenwahl von »ZDF Magazin Royale« nun doch sehr von der der »Welt« abweicht. Böhmermanns Parodie kann durchaus als Seitenhieb verstanden werden.
Gekleidet wie Poschardt (offenes Hemd unter Wollpullunder) und in grauem Toupet imitiert er den »Welt«-Chefredakteur, wie er die Themen seiner Zeitung aufzählt, nur halt in bitterböser Ironie: »Wir sagen Ihnen, warum Adolf Hitler heute Lastenrad fahren würde. (…) Wir sagen Ihnen, ob Armin Laschet wirklich einen funkelnden Edelstein im Bauchnabel hat, wie ein richtiger Zaubertroll.« Auch spielt Böhmermann auf die genderfeindliche Linie der »Welt« an, eins sei klar: »Gendergaga gibt es hier nicht, denn die deutsche Sprache ist keine Prostituierte, die man einfach so ermorden kann. Palim, Palim.«
Doch Poschardt hat mit der Parodie gleich zwei Probleme: Zum einen will er unter der Nase des verkleideten Böhmermanns einen Schatten erkennen, der einen Hitlerbart darstellt und somit versucht, ihn »einen Liberalen« als »höhö Minihitler« darzustellen. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Es ist ein Nasenschatten, den Böhmermanns recht großes Riechorgan wirft, oder aber wirklich ein Hitlerbärtchen, das entweder ein raffinierter Beleuchter in Szene setzte oder das nachträglich hinzugefügt wurde. So oder so brachte Poschardt selbst die Assoziation ins Spiel, als er sich bei Twitter darüber beschwerte. Rückenwind kommt da aus den Reihen der FDP.
»Hitlerbärtchen-Parodien sind nicht lustig, sondern Hetze. Das sollte auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ein No-Go sein«, schreibt Volker Wissing, Generalsekretär der Liberalen. Böhmermann »Böhmi« dessen Nasen- und Egogröße mit Poschardts vergleichbar ist, kontert mit dem Bild eines Wahlplakates von Christian Lindner. Auch seine Nase wirft einen Schatten, mit etwas Fantasie ist hier ein Hitlerbärtchen zu sehen. Wahlkampf mit Hitlerbärtchen sei auch nicht lustig und für eine im Bundestag vertretene Partei wie die FDP ein No-Go. Das Internet, in dem Poschardt viele Freund*innen, aber auch viele Kritiker*innen hat, springt auch auf den Zug mit auf. Fotos von ihm bei Lanz werden ausgebuddelt, in der öffentlich-rechtlichen Polit-Talkshow warf auch Poschardts Nase einen verdächtigen Schatten. Auch wird fleißig diskutiert, ob man sich über den Zahnbürstenschnurrbart überhaupt lustig machen darf.
Ob Ulf Poschardt sich durch das Schattenbärtchen wirklich auf den Schlips getreten fühlte oder ihm die Parodie seines unangenehmen Videos unangenehm ist - er selbst kreiert die Story in einer von seiner Zeitung gesponnenen Welt des Journalismus, die mit ihrer Aufmerksamkeitsökonomie Geld in die Kassen spült. Und da wären wir auch schon bei Kritikpunkt zwei von Poschardt angekommen, der sich daran stört, dass die mit »Zwangsgebühren« (GEZ) üppig finanzierten Öffentlich-Rechtlichen sich darüber lustig machen, dass ein »liberales, privat finanziertes Medium« um Abos wirbt. Damit wirft er natürlich einen wichtigen Punkt auf: Dass Journalismus nun mal Geld kostet und es für Medienhäuser immer schwieriger wird, ihre Arbeit zu finanzieren. Und irgendwie haben die Öffentlich-Rechtlichen ja in der Medienlandschaft einen Vorteil, da sie sich dank der verpflichtenden Rundfunkbeiträge keinen Kopf um Geld machen müssen. Schwierig an Poschardts Aussagen ist jedoch, dass er mit seinem Framing der »Zwangsgebühren« Narrative eines rechten Leser*innenspektrums à la AfD und Querdenken-Szene bedient. Und das ist durchaus problematischer als ein Schattenbart.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.