Unrecht, nicht Umstände

Über die halbherzige politische Aufarbeitung der Berufsverbote

Der Radikalenerlass von 1972 war selbst in der Bundesrepublik eine Zäsur in Sachen Diskriminierung von Menschen, die sich in linken Organisationen engagierten. Er markierte den Beginn einer rechtsstaatlichen Prinzipien widersprechenden Eskalation des Umgangs mit vermeintlichen Verfassungsfeinden. Und die wurde ausgerechnet unter der Ägide des bis heute hoch geachteten SPD-Kanzlers Willy Brandt eingeleitet.

Das dürfte wohl ein Grund dafür sein, dass sich in Berlin insbesondere die Sozialdemokraten schwer damit tun, die Opfer der aus dem Erlass resultierenden Berufsverbote um Entschuldigung zu bitten. Und so ist im Abgeordnetenhausbeschluss vom Donnerstag nur von »Bedauern« die Rede. Auch über Entschädigungsleistungen für infolge der Karrierebrüche oft in Altersarmut Lebende wollen sie erst nach Vorliegen einer Studie reden.

Das Grundproblem des Berliner Schrittes in Richtung Aufarbeitung ist aber wie bei ähnlichen Beschlüssen in Niedersachsen, Baden-Württemberg, Hamburg und Bremen, dass nicht das grundsätzliche Unrecht des Erlasses benannt wird. Auch Fachleute wie der Heidelberger Historiker Edgar Wolfrum, der das Wolfrum Forschungsprojekt zur Aufarbeitung des Radikalenerlasses in Baden-Württemberg leitet, hält diesen grundsätzlich für eine nachvollziehbare Maßnahme zum Schutz vor »Feinden der Demokratie«. Dabei war er schlicht und ergreifend verfassungswidrig.

Und er diente der Gleichsetzung von Linken mit waschechten Faschisten. Kriminalisiert wurden damit insbesondere Kommunisten. In all den Jahren seiner Anwendung wurden gerade mal zwei Verfahren gegen Rechte eröffnet. Er hat mit dazu beigetragen, Naziparteien wie die NPD zu stärken. Ganz nebenbei verunsichern noch heute in manchen Bundesländern übliche »Eignungstests« im öffentlichen Dienst ganze Generationen. Zivilcourage und das Einstehen für politische Überzeugungen fördert das nicht.

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