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Das Patriarchat schlägt zurück

Nahezu überall auf der Welt gibt es Bewegungen für eine ultrakonservative Einrichtung der Gesellschaft - und diese erstarken nicht nur, sondern vernetzen sich auch. Über eine Konferenz zum Thema im Frankfurter Kunstverein spricht deren Kuratorin Asia Leofreddi

nd: Sie haben die Konferenz »Your body is a battleground« kuratiert. Was steht denn genau auf der Agenda?

Leofreddi: Die Konferenz wird sich mit ultrakonservativen Netzwerken befassen, die im transnationalen Raum, also jenseits von Nationalstaaten, daran arbeiten, die Rechte von Frauen und LGBTQI zu beschneiden. Im Rahmen von mehreren Gesprächsrunden werden wir verschiedene Aspekte beleuchten, wie zum Beispiel die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen erstarkenden ultrakonservativen Netzwerken und den globalen rechtsextremen Parteien der verschiedenen Länder. Wir werden Berichte über die Auswirkungen ihrer Aktionen auf Betroffene hören.

Das Forum zielt jedoch nicht nur darauf ab, diesen antifeministischen Backlash zu reflektieren, sondern Beiträge wie die von Nancy Fraser und auch Sara Farris, Eszter Kovats, Judith Goetz oder Ilse Lenz werden sicher auch progressive Politikmodelle der vergangenen Jahrzehnte kritisch betrachten. Denn uns geht es auch um die Frage, wie wirksame Gegenstrategien aussehen können.

Interview

Asia Leofreddi ist Doktorandin am Human Rights Center der Universität Padua. Ihr Hauptinteresse gilt den Beziehungen zwischen Religion und Politik in Ost- und Südosteuropa, der Politisierung von Menschenrechten und der Staatsbürgerschaft. Leofreddi forscht am Centro Studi Confronti in Rom und schreibt für die gleichnamige Monatszeitschrift.

Wer organisiert das Forum, wer kommt zu Wort, wer ist die Zielgruppe?

Die Veranstaltung ist als zweitägiges öffentliches Forum konzipiert, an dem Akademiker*innen, Journalist*innen und Vertreter*innen der deutschen und internationalen Zivilgesellschaft teilnehmen. Wir haben 20 Referent*innen eingeladen, darunter die Wissenschaftler*innen Nancy Fraser, Neil Datta, Sara Farris, Natascha Strobl, Ilse Lenz und Nina Horaczek. Im Frankfurter Kunstverein kommen unsere Sprecher*innen an einem interdisziplinären Ort für zeitgenössische Kunst und Kultur zusammen, dem es ein Anliegen ist, Raum für öffentliche Debatten zu schaffen. Damit ein breites Publikum daran teilnehmen kann, ist auch diese Veranstaltung niedrigschwellig angelegt: Wir haben die Teilnahme bewusst kostenlos gemacht und das Forum stark auf Social Media beworben.

Die Kunstverein-Direktorin Franziska Nori hat mich als Kuratorin eingeladen. Sie und ihr Team organisieren das Forum gemeinsam mit dem Forschungsverbund »Normative Orders« der Goethe Universität, zudem unterstützt uns die Stadt Frankfurt. Ich wollte unbedingt ein öffentliches Event statt eines akademischen Elfenbeinturms.

Das Forum dokumentiert und kritisiert die globalen Tendenzen zur Restauration eines als natürlich ausgegebenen Geschlechterverhältnisses. Was sind denn die wesentlichen Merkmale einer solchen Ordnung?

Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen haben von Anfang an das Aufkommen ultrakonservativer Bewegungen untersucht, deren Mitglieder international vernetzt sind und die hauptsächlich christlichen Konfessionen angehören. Diese Bewegungen propagieren eine angeblich familienfreundliche Agenda, die in Wirklichkeit aber ausschließlich ein traditionelles, heterosexuelles Familienmodell und konservative Geschlechterrollen unterstützt. Gleichzeitig kämpfen sie kompromisslos gegen Abtreibung, Leihmutterschaft, gleichgeschlechtliche Ehen und alle liberalen Rechte im Bereich der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Ihre Forderungen überschneiden sich mit anderen Themen wie der Verteidigung der Religionsfreiheit, die als die Freiheit der christlichen Gläubigen zum Nachteil anderer ethnischer und religiöser Gruppen verstanden wird. Diese Bewegungen verbindet die Überhöhung der nationalen Souveränität und eine allgemeine Kritik an der westlichen liberalen politischen und wirtschaftlichen Ordnung und ihren supranationalen Institutionen.

Die »Ordnung«, die die Ultrakonservativen anstreben, kann als hierarchisches, patriarchalisches und heteronormatives Herrschaftssystem charakterisiert werden. Wäre die Gesellschaft nach ihren Grundsätzen strukturiert, wäre sie ein System der permanenten Ungleichheit, in dem Männer über Frauen herrschen und LGBTIQ nicht existieren.

Wie setzen die ultrakonservativen Akteure ihre Anliegen konkret um?

Basierend auf ihren fundamentalistischen Vorstellungen haben die ultrakonservativen Netzwerke eine umfassende Ideologie aufgebaut, mit der sie soziale Bewegungen in verschiedenen Ländern mobilisieren und ihre politischen Allianzen mit vielen rechtspopulistischen Parteien in westlichen Demokratien stärken konnten. Dank dieser immer engeren Kontakte sind sie in der Lage, nicht nur die öffentlichen Debatten in ihren jeweiligen Ländern zu beeinflussen, sondern, wenn diese Parteien an die Macht kommen, auch die Politik - und zwar zu Ungunsten von Frauen und sexuellen Minderheiten.

Betreffen solche hart patriarchalen Entwürfe eigentlich nur FLINTA* (Frauen, Lesben, inter-, nicht-binäre, trans- und agender-Personen) oder bedeuten sie letztlich auch für Männer eine Zurichtung?

Ich persönlich glaube, dass das Erstarken der ultrakonservativen Akteure zwar in erster Linie die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten angreift, letztlich aber ein Rückschlag ist, der uns alle betrifft, und damit auch die Männer. Diese Vorgänge sind Teil eines gegenhegemonialen Projekts, das das liberale demokratische System ablehnt und dessen Säulen die Nation, die Familie und der religiöse Monismus sind.

Ein weiteres Erstarken des radikalen Konservatismus bedeutet nicht nur eine patriarchale Gesellschaft, sondern auch eine autoritäre Gesellschaft, in der es keinen Platz mehr gibt für die kulturelle, ethnische oder religiöse Vielfalt der Menschen.

Gibt es in Hinblick auf konservative Geschlechter-Ideologien Gemeinsamkeiten zwischen so unterschiedlichen Phänomenen wie der Republikanischen Partei der USA, die auf ein allgemeines Abtreibungsverbot hinarbeitet, und etwa den Taliban?

In den sozialen Medien werden die Republikaner tatsächlich auch als »texanische Taliban« bezeichnet. Ich denke, die Dinge sind komplexer und finde diese Art von Vergleich nicht sehr hilfreich. Der aktuelle Antifeminismus, mit dem wir uns befassen werden, hat seine Wurzeln in den Widersprüchen »unserer« neoliberal-westlichen politischen und wirtschaftlichen Ordnung. Dennoch haben diese beiden fundamentalistischen Ideologien natürlich eine Gemeinsamkeit, die auch der Titel unserer Veranstaltung zum Ausdruck bringt: Der Körper der Frau ist ein politisches Schlachtfeld. Das gilt allerdings für jede Revolution, ob konservativ oder nicht. Der Kampf um den weiblichen Körper sowie um alle anderen Körper, die nicht der männlichen Norm entsprechen, hat leider zu allen Zeiten und auf allen Kontinenten immer wieder stattgefunden und ist eben auch heute hochaktuell. Diese Tatsache wollen wir bei unserem Forum aus der Perspektive der Kunst, der Politikwissenschaft sowie aus der Perspektive von Protestbewegungen analysieren.

Sie gehen aus von einer »fundamentalistischen« Agenda, die zurzeit von Ultrakonservativen »durch veränderte Begriffe, Sprache, Bilder, kommunikative und operative Strategien« etabliert würde. Lässt sich hierfür ein Beispiel nennen?

Wie das »Manifest des ultrakonservativen Netzwerks Agenda Europe« unseres Keynote-Speakers Neil Datta zeigt, versuchen diese rechten Akteure heute, in die öffentliche Debatte einzutreten, indem sie ihre religiös-fundamentalistischen Forderungen an die Terminologie des Menschenrechtssystems oder die Sprache des Naturrechts anpassen. So werden beispielsweise frauenfeindliche Positionen, die Abtreibungen verbieten wollen, mit einem Verweis auf ein Recht des ungeborenen Lebens gerechtfertigt. Illiberale Positionen wiederum werden mit dem Verweis auf die Religionsfreiheit begründet und die Homo-Ehe wird als »unnatürlich« abgelehnt.

Außerdem werden Strategien und Formate nachgeahmt, die eigentlich für progressive Mobilisierungen und Kampagnen typisch sind. Obwohl sie zutiefst antidemokratisch sind, bedienen sich diese Akteure in der Innenpolitik demokratischer Mittel, um ihr Anliegen vorzubringen. Sie betreiben Lobbyarbeit bei Parlamentarier*innen, organisieren Demonstrationen und initiieren Bürgerbegehren. Eine weitere Neuheit dieser Bewegungen ist ihr juristischer Aktivismus und die Anrufung nationaler und internationaler Gerichte, um ihre Forderungen durchzusetzen. Stellen Sie sich vor: Eine der mächtigsten fundamentalistischen Organisationen hat dieses Jahr sogar am 8. März eine Konferenz über die Rechte der Frauen organisiert!

Im Ankündigungstext für das Forum steht, dass es den Ultrakonservativen gelinge, frauen- und queerfeindliche Positionen zu normalisieren. Doch knüpfen diese nicht vielmehr an längst bestehende patriarchale Mainstream-Diskurse an?

Sie haben Recht, es gibt eine Kontinuität, die man nicht ignorieren kann. Wir werden den Fokus auf diejenigen Gruppen legen, die daran arbeiten, die demokratische Ordnung zu untergraben und Menschen- sowie Bürgerrechte aushöhlen, indem sie vor allem die Rechte von Frauen und LGBTIQ angreifen. Ich glaube, dass der zeitgenössische Feminismus mutige politische und soziale Alternativen präsentieren muss und dass seine Stärke davon abhängt, sich nicht nur der patriarchalen Kultur der Rechten, sondern auch der Normalisierung patriarchaler Muster in der liberalen und linken Sphäre entgegenzustellen. Aber auch darüber werden wir in diesen beiden Tagen sprechen.

Weiterhin ist auf der Forum-Webseite zu lesen, dass die derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungen die Errungenschaften der Zweiten Frauenbewegung infrage stellen oder sogar hinter sie zurückfallen. Meiner Meinung nach offenbart sich hier ein grundsätzliches Problem der Bürgerrechte als Kampfschauplatz: Rechte können zurückgenommen werden, das liegt in ihrer Natur. Müsste eine wirklich effektive Frauenbewegung vielleicht über diese staatlich vermittelten Garantien hinausgehen, um nicht dem jeweiligen Staatspersonal ausgeliefert zu sein?

Die Beziehung zwischen Bewegungen und Institutionen ist eines der Themen, über das wir auf der Konferenz sprechen wollen! Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, denn das Spektrum der Positionen ist sehr breit. Das Forum im Frankfurter Kunstverein schafft in erster Linie den Rahmen, um in einem interdisziplinären Diskurs Antworten auf diese Frage zu skizzieren und Szenarien für politisches Handeln zu entwerfen.

»Your body is a battleground. Ultrakonservative Strategien zur Wiederherstellung einer ›natürlichen Ordnung‹« findet am 18. und 19. September im Frankfurter Kunstverein statt und wird auch live gestreamt. Informationen zu Programm und Teilnahme unter: www.fkv.de/veranstaltung/forum-september-2021/

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