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»Die armen Meisen und Eichhörnchen!«
Vor 70 Jahren starb der Zeichner und Karikaturist Albert Schaefer-Ast
Ein befreiter Geist wollte sich nicht schon wieder ideologisch bevormunden lassen! Darum entzog er sich den selbstgerechten Parteigeistern, die sich schon wieder in die Schützengräben eingruben, diesmal in die des Kalten Krieges. Und so trafen sich für einige Nachkriegsjahre die von den Nazis verbotenen Freigeister (wenn sie nicht ermordet worden waren oder noch in der Emigration lebten) sämtlich beim - anfangs amerikanisch lizenzierten - »Ulenspiegel« in Berlin wieder, den Herbert Sandberg und Günther Weisenborn herausgaben. Eine gesamtdeutsche Satirezeitschrift, über die Friedrich Wolf schrieb: »Es begann mit der Zeitschrift, die sofort eine scharfe Klinge gegen die alten und neuen Dunkelmänner schlug.«
Bekannte Namen finden sich unter den Zeichnern, von Hanna Höch und Max Pechstein bis zu Hans Theo Richter und Elisabeth Shaw. Auch Albert Schaefer-Ast war unter ihnen, der in der Weimarer Republik zu den bekanntesten Karikaturisten aus dem Umfeld der Satirezeitschrift »Simplicissimus« gehörte. Im Ersten Weltkrieg schwer verwundet, hatte er ein Auge verloren, mit dem ihm verbliebenen jedoch sah er die Verhältnisse um so schärfer.
Der 1890 in Barmen geborene Schaefer-Ast schlug sich anfangs als Weinverkäufer und Vertreter für Dr.-Oetker-Puddingpulver durch, bevor er als Werbezeichner und Illustrator schließlich zur Karikatur kam. Will man ihn zeichnerisch verorten, dann fällt einem zuerst George Grosz ein, der unerbittliche Chronist des menschlichen Bestiariums aus Militär und Hochfinanz, aber auch Alfred Kubin mit seiner filigranen Schraffur, Autor der Anti-Utopie »Die andere Seite«. Doch hat Till Schröder, der das Vorwort zu »›… und wundere mich, dass ich noch lebe‹. Briefe und Burlesken von Albert Schaefer-Ast« geschrieben hat, gewiss recht, wenn er über den Künstler schreibt: »In diesem Sowohl-als-auch statt dem Entweder-oder liegt sein versteckter Zauber. … In ihm steckt mehr Christian Morgenstern als George Grosz.«
Nach 1933 galt er als »entarteter Künstler«, durfte unter bestimmten Bedingungen aber doch arbeiten. Zu diesen gehörte, dass er sich von seiner jüdischen Frau scheiden ließ. Das Ehepaar einigte sich auf eine Trennung. Keinesfalls wollte er sich jedoch zur politischen Propaganda missbrauchen lassen, erst recht nicht gegen England. Denn dort lebten seit 1939 seine aus Deutschland geflohene Frau und auch seine Tochter Susanne, die mit einem der von den Quäkern organisierten Kindertransporte in Sicherheit gebracht worden war.
Diese erzwungene Trennung führte zu jenem Briefwechsel mit Steffie und Susanne Schaefer-Ast, den nun, da beide bereits gestorben sind, der Schwiegersohn John Buck herausgegeben hat. Zusammen mit zahlreichen Karikaturen im Abbildungsteil, einem Lebensabriss Schaefer-Asts und einem erhellenden Nachwort von Harald Kretzschmar ist es auch darum ein so wichtiges Dokument über ein Künstlerleben in der Mitte des 20. Jahrhunderts, weil der Nachlass des 1951 gestorbenen Schaefer-Ast (samt seinem Sommerhaus in Prerow) auf unerklärliche Weise verloren ging. Oder von obskuren Nachlassverwaltern veruntreut wurde.
Aber wie die Oper nach Adorno bekanntlich auf der Schallplatte überwintert, so die Karikatur in der gedruckten Reproduktion! Vor dem Hintergrund seiner in den Briefen mitgeteilten Lebensumstände sieht man sie nun mit anderen Augen. In Berlin 1943 ausgebombt, flüchtete er nach Prerow, wo er fast verhungert wäre (eine Herzmuskelschwäche blieb, die sechs Jahre später zum tödlichen Herzinfarkt führte), kam im November 1945 schließlich als Professor für Buchkunst und Pressegrafik nach Weimar an die neu gegründete Hochschule für Bildende Kunst (auf Betreiben des Direktors Hermann Henselmann).
Bei Schaefer-Ast verbindet sich jederzeit der unbestechliche Blick mit Nachsicht für menschliche Schwächen aller Art. Mit anderen Worten: Er liebt das Mängelwesen Mensch sogar noch in der von ihm selbst verursachten Trümmerwüste. Über Berlin schreibt er im April 1946, das Tiergartenviertel »war über Nacht weg, vom Bahnhof Zoo bis Bandenburger Tor, restlos weg, das kommt nie wieder«. Nur die golden glänzende Siegessäule samt Göttin ist geblieben, wenn das nicht Realsatire ist. Aber Schaefer-Ast, das zeigen seine Briefe, nimmt an den grellen Ereignissen immer auch die andere, die verborgene Seite wahr, wie seine Replik zum Tiergarten zeigt, der »abgeholzt und verheizt« worden sei: »Die armen Meisen und Eichhörnchen!«
Seine Briefe zwischen 1946 und 1951 sollte man auch als Alltagsgeschichte zwischen Ende des Krieges und staatlich manifestierter Teilung Deutschlands lesen. Es handelt sich um Elendsprotokolle mit vorsichtiger Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Im Oktober 1946 konstatiert er erstaunt, »dass ich schon wieder Humor habe«. Das baucht er auch inmitten des Mangels, der überfüllten Züge mit Flüchtlingen und Hamsterkäufern. Der schwarze Markt beherrscht den Alltag.
Aber auch der beginnende Lehrbetrieb an der Hochschule. Fast nur junge Frauen, kaum Männer. Der Winter 1946/47 wird zur Überlebensprüfung. Draußen minus 24 Grad Celsius, drinnen minus 4 Grad Celsius. Wochenlang mit aller verfügbaren Kleidung rund um die Uhr im Bett, keine Kohlen und kaum etwas zu essen. »Man übersteht’s oder geht druff.«
Schaefer-Ast denkt an Mark Twain, der auch bevorzugt im Bett arbeitete und bemerkt: »Wir alle haben keine Lust, wir wollen gut essen, trinken, rauchen, ein geheiztes Zimmer und unsere Ruh.« Utopien Anfang 1947. Die Berichte aus dem Jahr 1951 dagegen klingen bereits ganz anders. Er hat ein großzügiges Haus in Weimar erhalten, das gut heizbar ist, wird als - jederzeit unpolitischer - Künstler von der jungen DDR hofiert und beginnt, das Leben zu genießen. Die Arbeit in seinem Gemüsegarten in Prerow an der Ostsee, wo er, so oft es geht, hinfährt, verjüngt ihn geradezu, er klingt optimistisch in seinen Berichten nach England. Und man staunt, wenn man Details zur Infrastruktur wie dieses hört: »Zurückgereist bin ich mit dem Reiseomnibus ›Brandenburg‹ Express direkt von Prerow-Berlin mit allem Comfort.«
Übermut gehört zur Karikatur. Der Zeichner muss dem Zeitgeist immer ein Stück voraus sein. Rennt er ihm voraus, oder ist er auf der Flucht vor ihm? Wohl beides zugleich, denn wer seine Bilder betrachtet, soll lachen, auch über sich selbst. Da ist etwa der Schlagerkomponist, in dessen Klavier das galoppierende Pferd erwacht. »Fortissimo« steht darunter. Oder die »Optimismus« betitelte Zeichnung. Darauf ein Mädchen, hoch oben auf einer an einem Ast hängenden Schaukel. Darunter eng gedrängt mit offenen Mäulern und hängenden Zungen das Personal der Hölle, das danach lechzt, es zu verschlingen. Ein Sinnbild auf die eigene Künstlerexistenz?
Erstaunlich die Frische dieser Zeichnungen über ein Menschenalter hinweg. Das ist wohl dem auf die elementaren Widersprüche unserer Existenz reduzierten Bildinhalten und dem gespensterhaft unwirklichen Strich (da gehen mitunter Köpfe auf Beinen!) zu verdanken. Die forcierte Künstlichkeit hält auch hier das Natürliche wach, denn wenn Schaefer-Ast eine Botschaft hatte, dann die: Unsere Wirklichkeit ist unwirklich und die Existenz bleibt absurd.
So starb Schaefer-Ast seinen plötzlichen Herztod am 15. September 1951 in einem Moment, als er sich - gerade aus Prerow nach Weimar zurückgekehrt - so gesund und kräftig wie nie zuvor in seinem Leben fühlte.
»… und wundere mich, dass ich noch lebe«. Briefe und Burlesken von Albert Schaefer-Ast, hg. v. John Buck, Eulenspiegel Verlag, 240 S., geb., 16 €.
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