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Wenn Antikörper Ärger machen

Seltene Hirnvenenthrombosen nach Covid-19-Impfung sind gut zu diagnostizieren und behandelbar

Blutplasma von Genesenen ist schon länger im Gespräch als mögliche Therapie bei einer akuten Covid-19-Erkrankung. Auch in Deutschland haben sich mehrere Forschungsgruppen mit der Wirksamkeit einer solchen Behandlung beschäftigt. Ihre Ergebnisse wurden am Dienstag anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) vorgestellt.

Nach einer Infektion mit dem Coronavirus bilden Menschen in der Regel spezifische Antikörper, die Patienten mit einer akuten Covid-19-Erkrankung bei der Bewältigung der Erkrankung helfen könnten. Die Ergebnisse mehrerer Studien, unter anderem die Capsid-Studie (koordiniert vom DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg/Hessen), zeigen nun die Voraussetzungen, unter denen das Plasma wirken kann: Es muss hoch dosiert verabreicht werden. Man braucht also Plasma, in dem die Antikörper in großer Zahl vorhanden sind. Festgestellt wird das bei einer Untersuchung von freiwilligen Plasmaspendern, die sich an den jeweiligen regionalen Blutspendedienst wenden können. Zudem muss dieses Plasma sehr früh im Verlauf der Krankheit gegeben werden, nämlich in den ersten drei Tagen ab Auftreten von Symptomen. Damit nun nicht unnötig vielen Erkrankten eine solche Plasmagabe verabreicht wird, ist sie bisher jenen vorbehalten, die ein hohes Alter und/oder ein hohes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben. An der Capsid-Studie konnten 105 Patienten teilnehmen. Im Laufe der DGTI-Jahrestagung wird eine Metaanalyse zum Thema vom unabhängigen Forschungsnetzwerk Cochrane vorgestellt.

Ein weiteres Thema der Transfusionsmediziner ist eine spezielle Impfkomplikation, die bei dem Astra-Zeneca-Vektorimpstoff (und teils auch bei dem von Johnson & Johnson) gegen das Sars-CoV-2-Virus auftritt und bereits für große Aufregung sorgte. Die seltenen Thrombosen in der Sinusvene des Gehirns gab es in einzelnen Fällen bei jüngeren Menschen nach der Impfung. Im März wurden die ersten dieser Phänomene gemeldet. Unmittelbar danach begann der Transfusionsmediziner Andreas Greinacher von der Universität Greifswald mit der Erforschung der Ursachen.

»Das Auftreten der Thrombosen in der zweiten Woche nach der Impfung ist typisch für eine Antikörperreaktion, was wir auch bestätigen konnten«, so der Mediziner. Unter den Abwehrstoffen, die ein Körper nach einer Impfung bildet, können in seltenen Fällen auch spezielle Antikörper sein, die sich an Blutplättchen (Thrombozyten) binden. In Blutproben zeigte sich, dass die Antikörper gegen den Plättchenfaktor 4 gerichtet waren. Dieser wird von Thrombozyten freigesetzt. Jeder Antikörper bildet mit diesen Faktoren winzige Immunkomplexe. Ausgelöst wird das durch die Adenoviren, die in den genannten Impfstoffen verwendet werden, um den Bauplan für das Spikeprotein von Sars-CoV-2 als Information für das Immunsystem in körpereigene Zellen zu bringen.

Innerhalb von zwei Wochen werden große Mengen von Antikörpern gegen die PF4-Komplexe gebildet. Diese Antikörper aktivieren nun über einen weiteren Mechanismus die Blutplättchen, mit der Folge, dass sie verklumpen und Blutgerinnsel bilden können. Diese Komplikation wird Vakzin-induzierte thrombotische Thrombozytopenie (VITT) genannt.

Zusammen mit Neurologen der Berliner Charité fanden Greifswalder Forscherinnen und Forscher heraus, dass die Kopfschmerzen, über die viele Patienten mit VITT klagen, nicht die Folge der Thrombosen, sondern ein Warnsignal dafür sind. In Greifswald wurden zudem zwei Tests entwickelt, mit deren Hilfe Ärzte potenziell Betroffene auf die Antikörper untersuchen können.

Außerdem entwickelten die Transfusionsmediziner auch eine Therapiemöglichkeit durch eine Infusion von Immunglobulin-Konzentraten, welche aus dem Blut gesunder Menschen gewonnen werden. Diese können die Aktivierung der Blutplättchen blockieren. Außerdem werden Gerinnungshemmer gegeben. Diese Informationen konnten innerhalb kürzester Zeit schon im März an die WHO und internationale medizinische Netzwerke weitergegeben werden.

Durch diese Diagnose- und Behandlungsmöglichkeit hat sich die Überlebenschance der Betroffenen stark verbessert: »Während in den ersten Wochen noch mehr als die Hälfte der Patienten verstorben ist, überleben jetzt 9 von 10 Patienten«, so Greinacher. Außerdem habe eine aktuelle Studie gezeigt, dass die gefährlichen Antikörper, welche die Thrombosen auslösen können, nur wenige Monate im Körper bestehen bleiben. Für die zweite, noch ausstehende Impfdosis rät Greinacher allerdings, auf einen mRNA-Impfstoff zu wechseln. Die Erkenntnisse zu den seltenen Komplikationen durch Vektor-impfstoffe sind zwar weniger für Deutschland, aber insbesondere für jene Länder wichtig, die aus verschiedenen Gründen vor allem auf diese Impfstoffklasse setzen.

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