- Politik
- Wahlen in Italien
Extrem rechte Konkurrenz überflügelt Salvini
In Italien erstarken auf der Rechten die Neofaschisten, das linke Lager bleibt zerstritten und zersplittert
In Italien wird Anfang Oktober gewählt, und zwar in vielen kleinen und großen Städten, unter anderem in Rom und Mailand und auch in der süditalienischen Region Kalabrien. Es ist das erste politische Kräftemessen, seit der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) Mario Draghi im letzten Februar seine »sehr große Koalition« mit allen im Parlament vertretenen Parteien (mit Ausnahme der Postfaschisten von Fratelli d’Italia) gebildet hat. Dementsprechend turbulent ist auch die Wahlkampagne, da jede Partei versucht - versuchen muss -, sich von den anderen abzugrenzen. Das ist zum Teil eine komplizierte Gratwanderung, die ab und an auch zu seltsamen Auswüchsen führt.
Am »schwersten« hat es die rechtspopulistische Lega mit dem angeschlagenen ehemaligen Innenminister Matteo Salvini an der Spitze, die versucht, gleichzeitig Regierungs- und Oppositionspartei zu sein. Dazu ist ihr in den letzten Monaten auch ein massiver Konkurrent am rechten Rand erwachsen, ebenjene Fratelli d’Italia (Brüder Italiens - nach der ersten Zeile der italienischen Nationalhymne). Angeführt wird diese Partei von Giorgia Meloni, die in der Gunst der Rechten und Ultrarechten inzwischen dem vorher so beliebten Matteo Salvini den Rang abgelaufen hat. Während Fratelli d’Italia nach Umfragen mit 21 Prozent stärkste italienische Partei ist, liegt die Lega mit 20 Prozent knapp dahinter. Deshalb versucht sie permanent, innerhalb der Regierung Unruhe zu stiften.
Allerdings wird sie dann jedes Mal, wenn eine bestimmte Schwelle überschritten ist, von Ministerpräsident Draghi zurückgepfiffen. Woraufhin sie klein beigibt, um sich am nächsten Tag ein neues Thema zu suchen (mal die Impfkampagne, mal die Migrationspolitik und so weiter), mit dem sie sich wieder nach vorne spielen kann. Noch komplexer wird alles dadurch, dass die beiden ultrarechten Parteien bei den Kommunalwahlen fast überall gemeinsam und zusammen mit der Berlusconi-Partei Forza Italia antreten, die ihren drastischen Abstieg stoppen konnte und nun bei 7 Prozent liegt.
Dass die Rechte in Italien zusammen über 40 Prozent der Stimmen erreicht, ist nicht ungewöhnlich. Nur hat sich der Schwerpunkt in diesem Spektrum in den letzten Jahren immer weiter nach »ultrarechts« verschoben. Das liegt auf der einen Seite daran, dass die »moderate« Rechte um Silvio Berlusconi an Bedeutung verloren hat. Zum anderen hat Matteo Salvini eine Unmenge von Fehlern gemacht: Zuerst hat er seine eigene Regierung (zusammen mit den Fünf Sternen) platzen lassen, weil er meinte, so über Neuwahlen die relative Mehrheit und das Ministerpräsidentenamt erreichen zu können.
Und schließlich hat der Staatspräsident den parteilosen Mario Draghi »aus dem Hut gezaubert«, den Salvini jetzt unterstützt. Sein Versuch, den Fuß gleichzeitig im Steigbügel der Regierung und der Opposition zu halten, ist gescheitert. Außerdem hat es seine direkte Konkurrentin Giorgia Meloni geschafft, sich auch international einen großen »Fanclub« aufzubauen. Auf die Italiener wirkt sie heute sehr viel authentischer als der ehemalige Innenminister.
In der allgemeinen Wählergunst auf dem dritten Platz befindet sich gegenwärtig die sozialdemokratische PD mit knapp 19 Prozent, gefolgt von der Fünf-Sterne-Bewegung, die bei 16 Prozent liegt. Wobei Erstere in den letzten Wochen permanent etwas hinzugewonnen und M5S immer mehr verloren hat.
Die Prognosen für die Kommunalwahlen, bei denen es Mitte Oktober Stichwahlen geben wird, besagen allerdings, dass in den größeren Städten, insbesondere in Rom sowie Mailand und Neapel, am Ende jeweils der Kandidat (alles Männer!) der Sozialdemokraten die Nase vorn haben wird.
Vollkommen ungewiss ist hingegen das Ergebnis in Kalabrien, wo bisher die rechten bis ultrarechten Parteien regierten. Hier gibt es verschiedene sozialdemokratische und linke Parteien, die untereinander aber so zerstritten sind, dass keine gemeinsame Liste möglich war.
Die Zerstrittenheit innerhalb der Linken ist in Italien ein riesiges und übergreifendes Problem. Die Partei mit der stärksten und flächendeckenden Organisation ist Rifondazione Comunista (Kommunistische Neugründung), die mit der deutschen Partei Die Linke und anderen europäischen Partnern in der Europäischen Linken zusammenwirkt und mit dem ehemaligen Minister für Soziale Solidarität Paolo Ferrero auch einen ihrer Vizepräsidenten stellt. Sie ist in einigen Regional- und Kommunalparlamenten vertreten und hat mehrmals versucht, mit anderen linken Gruppierungen weiterreichende nationale Wahlbündnisse zu schmieden, die aber alle gescheitert sind. In den Wahlprognosen läuft sie heute fast überall unter »Andere« und liegt bei 2 Prozent.
Die einzige im nationalen Parlament vertretene linke Gruppe ist LeU (Liberi e Uguali - Frei und gleich), die eng mit den Sozialdemokraten verbunden ist und auch die Regierung von Mario Draghi unterstützt. Sie ist keine Partei, sondern setzt sich aus einzelnen bekannten Persönlichkeiten zusammen, und in den Umfragen heißt es, dass sie auf nationaler Ebene, sollte sie sich denn zur Wahl stellen, bei 3,5 Prozent liegen würde. Was daran liegt, dass sie in einigen Gegenden des Landes einen relativ hohen Rückhalt hat.
Wenn auch die Linke in Italien auf der Parteienebene nicht oder kaum vertreten ist, kann man doch nicht sagen, sie wäre ohne Einfluss. Auf sozialer Ebene findet man sie vor allem in den Gewerkschaften, in Jugendgruppen und unter den Intellektuellen des Landes. Viele Menschen in Italien scheinen nur darauf zu warten, dass sich wieder eine linke Partei bildet, die ihre Ideen und Interessen vertritt. Aber bisher wurde diese Hoffnung enttäuscht.
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