Wer soll das bezahlen?

Die Besteuerung von Unternehmen spielt in den Wahlprogrammen der Parteien keine Rolle

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Der künftige Bundesfinanzminister ist um seine Aufgaben nicht zu beneiden. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hat die Coronakrise allein im Jahr 2020 zu einem Finanzierungsdefizit des Staates von rund 140 Milliarden Euro geführt. Seither wuchs der Schuldenberg weiter. Am Mittwoch betrug er nach Angaben des Bundes der Steuerzahler mehr als 2,3 Billionen Euro, der Großteil davon entfällt auf den Bund.

Die steuerpolitische Antwort von Bundesfinanzminister Olaf Scholz und seiner SPD ist trickreich. Ab dem Jahr 2023 soll die coronabedingte Neuverschuldung getilgt werden. Von rund 218 Milliarden Euro Kreditermächtigung müssen bis zu 119 Milliarden über einen Zeitraum von 20 Jahren abgebaut werden. Diese Tilgungspflicht ergibt sich aus dem Grundgesetz. Scholz plant, ab 2023 die nach der Schuldenbremse zulässige Neuverschuldung nicht voll auszureizen. Sie soll dann vom Umfang her den jährlich vorgeschriebenen Tilgungsraten entsprechen. Bleiben die Zinssätze nahe null, nimmt die Konjunktur wieder richtig Fahrt auf und die Steuereinnahmen sprudeln wie vor Corona kann der Plan aufgehen.

Gleichzeitig will die SPD laut Wahlprogramm die Steuern »für die Mehrheit senken«. Zur Gegenfinanzierung sollen Reiche einen Aufschlag von drei Prozent auf die Einkommensteuer zahlen. Zudem sollen einige Privilegien für Besserverdienende wegfallen, etwa bei Spenden. Die Vermögensteuer soll wieder in Kraft gesetzt werden. Die Erbschaftssteuer sei »reformbedürftig«, so die Sozialdemokraten. Auch Grüne und Linke schlagen in ihren Bundestagswahlprogrammen vor, niedrige Einkommen zu ent- und hohe Einkommen stärker zu belasten. Die Besteuerung von Unternehmen spielt in den Programmen hingegen kaum eine Rolle.

Wie bei der SPD scheint Steuer- und Fiskalpolitik vor allem der sozialen Gerechtigkeit zu dienen, weniger aber der Bewältigung der finanziellen Corona-Lasten oder dem wirtschaftlichen Wachstum.

Vor allem auf Wirtschaftswachstum zielen dagegen CSU/CSU und FDP ab. Auch diese Parteien setzen auf massive Steuererleichterungen. Allerdings sind hier die Zielgruppen andere, wie übrigens auch bei der AfD, nämlich »Besserverdiener« und Selbstständige. Dahinter steht die neoliberale Trickle- Down-Theorie, wonach der Wohlstand oben durch Konsum und Investitionen in die unteren Schichten der Gesellschaft durchsickert und zu Wachstum führt. Nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte sinkt allerdings die Zahl der Ökonomen, die dieser Theorie anhängen. Die finanzpolitischen Vorstellungen von CDU/CSU und FDP würden nach Berechnungen von Forschungsinstituten die öffentlichen Kassen zusätzlich belasten. Hingegen würden die rot-grün-roten Steuerpläne unterm Strich für steigende Einnahmen von Bund und Ländern sorgen.

Ob dies reichen würde, um Corona-Schulden abzutragen, kann aber bezweifelt werden. Dies zeigt beispielhaft die Vermögensteuer. Sie ist eigentlich - wie auch die Erbschaftsteuer - besonders interessant, weil die Vermögen in Deutschland noch viel ungleicher verteilt sind als die Einkommen. Im Jahr 1996, dem letzten, in dem sie erhoben wurde, nahmen die Bundesländer durch die Vermögensteuer umgerechnet knapp fünf Milliarden Euro ein. Eine einfache Wiedereinführung würde also wenig bringen. SPD, Grüne und Linke plädieren daher für eine Reform. Die schlägt auch der DGB vor. Würde die Vermögensteuer auf Nettovermögen ab einer Million Euro erhoben werden, so könnten pro Jahr 28 Milliarden Euro mobilisiert werden. Weitere sieben Milliarden würde eine Erbschafts- und Schenkungssteuer auf Betriebsvermögen bringen.

Letztere lehnen CDU, CSU, FDP und Wirtschaftsverbände vehement ab. In einem Brief an die großen Parteien fordert der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) »mit Nachdruck«, Betriebe steuerlich zu entlasten und Pläne für eine Vermögensteuer ad acta zu legen. Wesentliche Anteile von Vermögen seien in Betriebskapital gebunden. Die neue Regierung solle sich auf wachstumsfördernde Maßnahmen wie eine angemessene Besteuerung von in Unternehmen »thesaurierten« Gewinnen konzentrieren, heißt es in dem Schreiben, und weiter: »Der daraus gewonnene finanzielle Spielraum ist Grundlage für die Zukunftsinvestitionen, von denen letztlich alle profitieren.«

Tatsächlich muss der Staat nicht nur Schulden abbauen, sondern, folgt man den Parteiprogrammen, auch eine Investitionsoffensive bei Bildung, Infrastruktur und Klima schultern. Ob dafür der trickreiche Tilgungsplan von Scholz ausreicht, ist fraglich.

Die Rückkehr zur Einhaltung des Verbots der Nettoneuverschuldung wird im Wahlkampf vor allem von FDP und Union propagiert. Kanzlerin Angela Merkel, die sich angesichts schlechter Umfragewerte für CDU und CSU nun doch noch in den Wahlkampf einmischt, kritisierte am Mittwoch die Forderung der Linken nach Streichung der Schuldenbremse zugunsten kreditfinanzierter öffentlicher Investitionen. Das rief noch einmal den Linke-Finanzexperten Fabio De Masi auf den Plan, der nicht mehr für den Bundestag kandidiert: »Der Kanzlerin scheint entgangen zu sein, dass ihr eigener Kanzleramtsminister und auch Markus Söder die Schuldenbremse aussetzen wollen.« Die Tilgungsfrist für Corona-Kredite beträgt übrigens in Nordrhein-Westfalen, wo Unionskanzlerkandidat Armin Laschet regiert, 50 und nicht 20 Jahre, wie von Scholz angekündigt.

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