- Politik
- nd-Podcast
Wenn die Algen durchdrehen
Dr. Schmidt erklärt die Welt: Woher der Schleim in den Meeren kommt
Das Marmarameer am Bosporus sieht gar nicht gut aus. Voll mit Schleim, kann und will man nicht mehr darin baden. Wird davon auch das Mittelmeer bedroht?
Aktuell ist der Schleim selber nicht mehr zu sehen, nach dem, was man so hört. Der ist abgesunken. Aber weg ist er leider nicht, der liegt jetzt auf dem Meeresgrund und versaut dort Muscheln und Korallen. Das Problem ist für das Mittelmeer wahrscheinlich nicht so schlimm. Das wird ja durch den Atlantik immer wieder mit relativ viel sauerstoff- und salzhaltigem Frischwasser versorgt. Anders als das ebenfalls angrenzende Schwarze Meer.
Das ist das erste Schleimopfer?
Das hat genug eigene Probleme: Ins Schwarze Meer fließen mehrere große Flüsse, von denen einer halb Europa entwässert: die Donau. Dnister, Dnepr und der Don fließen durch weite Teile der Ukraine und Russlands. In allen vier Fällen ist die Qualität der Abwasserklärung zumindest in der Vergangenheit eher bescheiden gewesen. In der Donau ist sie dank EU-Auflagen etwas besser geworden. Unterhalb der geringen Tiefen, in denen unsereins so baden geht, ist das Schwarze Meer schon ziemlich tot. Das von den Flüssen verdünnte Salzwasser, in dem auch Sauerstoff drin ist, schwimmt oben. Und da es im Schwarzen Meer keine so kräftige Strömung gibt wie im Mittelmeer, bleibt die untere Schicht, die bis zum Meeresgrund reicht, extrem sauerstoffarm. Da lebt also nur noch, was ohne Sauerstoff auskommt. Was für Archäologen toll ist - die ältesten bekannten Schiffswracks sind auf dem Grund des Schwarzen Meeres gefunden worden. Und das Marmarameer hat eben das Problem, dass eher etwas aus dem Schwarzen Meer zufließt, als dass vom atlantischen Wasser der Mittelmeerströmungen etwas dort ankommt. Das Marmarameer ist ja nur ein Randmeer des Mittelmeeres.
Woher kommt denn nun der ganze Schleim?
Das ist tote Biomasse, wie bei den berüchtigten Algenblüten, die man von der Ostsee kennt. Eine Folge der Überdüngung. Auch wenn Algen Mikroorganismen sind, so funktionieren sie doch wie Pflanzen. Sie machen Photosynthese und brauchen Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor. Und wenn die plötzlich reichlich da sind und dann noch die Sonne gründlich scheint, dann drehen die Algen durch. Wenn die Nährstoffe aufgebraucht sind, dann sterben sie wieder ab - Schleim eben.
Vielleicht wird uns die Tourismusindustrie retten und den Schleim beseitigen.
Absaugen für den schönen Anblick, wie gerade in der Türkei? Da wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Die Tourismusindustrie ist selbst ganz erheblich an den Abwässern beteiligt, die das Meer überdüngen. Da fließen viele Abwässer aus Ferienanlagen oftmals nur mangelhaft geklärt ins Meer. Da gab es ja lange den Aberglauben: Die Meere sind so groß, die reinigen sich von allein. In mancherlei Hinsicht aber sind wir inzwischen offenbar zu groß für die Meere. Zumindest für die kleinen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.