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Fallpauschalen noch zu retten?

Die Folgen des DRG-Systems haben auch in der Corona-Pandemie die Versorgung nicht verbessert

Das System der Fallpauschalen steht in Deutschland schon lange in der Kritik. Es stellt seit 2004 einen wesentlichen Teil der Krankenhausfinanzierung dar, mit dem Ergebnis verkürzter Verweildauer in den Kliniken, aber auch mit unguten Nebenwirkungen für Beschäftigte wie für Patienten. Auf dem 20. Europäischen Gesundheitskongress in München, der Ende letzter Woche stattfand, wurde versucht, die Tauglichkeit der Fallpauschalen in Zeiten der Coronapandemie zu untersuchen. De facto drehte sich die Debatte unter den Beteiligten, zu diesem Thema vor allem Vertreter aus dem Krankenhausmanagement beziehungsweis Gesundheitsökonomen, aber eher darum, wie die DRG (diagnosis related groups) verbessert werden können – um sie letztendlich zu retten.

Die Möglichkeit, hier etwas zu ändern, besteht aus zwei Gründen: Zum einen haben alle relevanten Parteien in ihren Wahlkampfaussagen das Problem der dysfunktionalen Krankenhausfinanzierung angesprochen. Zum anderen zeigen die ersten Zahlen aus der Pandemie, dass hier das DRG-System versagte. Diese Form der Vergütung wurde durch Freihaltepauschalen unterlaufen, was zu deutlich geringeren Fallzahlen führte. Verantwortlich für letzteres waren planbare Eingriffe und Behandlungen, die eben verschoben wurden – und zwischen den einzelnen Pandemiewellen – nicht in zuvor absehbarer Menge nachgeholt werden konnten. Hinzu kommt ein offenbar verändertes Patientenverhalten: Für kleinere Eingriffe und geringere Beschwerden wählten die Betroffenen offenbar deutlich häufiger als vor der Pandemie eine ambulante Behandlung.

Auch die Krankenhausökonomen, wie etwa Andreas Beivers von der privaten Hochschule Fresenius, können noch nicht absehen, ob das so bleibt. Der Volkswirt hätte die DRG auch gern flexibler, etwa in die Richtung, dass Vergütungen regional unterschiedlich ausfallen könnten. Das System solle eher zur Beschreibung von Leistungen genutzt werden, nicht zur Abrechnung wie aktuell. Beivers bekannte sich auf dem Münchener Kongress entsprechend auch zur Quadratur des kapitalistischen Kreises: Die Verwirklichung der Gewinnziele von einzelnen müsse zum Vorteil für alle führen. Wenn jedoch falsche Anreize gesetzt würden, gelinge das nicht.

In eine ähnliche Kerbe schlug Mate Ivančić von den Schön-Kliniken, einer Krankenhausgruppe mit Sitz in München, die deutschlandweit 26 Standorte hat. Für den Arzt und Manager müssten vorhandene Qualitätsparameter scharf gestellt werden; würden sie nicht erfüllt, müssten die Häuser mit Abschlägen klarkommen. Der »Markt« würde sich entsprechend umstellen und deutlich verbessern.

An einen Strukturwandel auf diesem Wege glaubt Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bundesverbandes, offenbar nicht mehr. Das DRG-System hätte das seit seiner Einführung 2004 nur bedingt geleistet. Hingegen zähle eine gewisse Transparenz bei Leistungen und Kosten zu den erreichten Zielen. Mit starken Fragzeichen zu versehen sei eine Stabilisierung der Ausgaben der Krankenversicherungen durch die Pauschalen. Der Wettbewerb zwischen den Kliniken habe zugenommen.

Aber, so Johna rhetorisch: »Profitieren hiervon die Patienten?« Die Vertreterin der angestellten Krankenhausärzte benennt klar die Nebenwirkungen der Fallpauschalen, an erster Stelle eine Überversorgung durch Indikationsausweitung. Damit ist gemeint, dass bestimmte Medikamente und Therapien sehr großzügig genutzt und abgerechnet werden, auch dann schon, wenn sie medizinisch eigentlich noch nicht nötig wären. Auf der anderen Seite gebe es dann eine Unterversorgung. Als Beispiel könnte die von Johna genannte Unterfinanzierung der Geburtshilfe stehen; die schlechte Bezahlung der dazugehörigen Leistungen führe aus ihrer Sicht zu Schließungen der Einrichtungen.

Die Einsparungen bei den Personalkosten, insbesondere der jahrelange Abbau von Pflegekräften, ist für die Frau von der Ärztegewerkschaft ein deutlich größeres Problem als für andere Teilnehmer der Diskussion. Letztere sehen die Herausnahme der Pflegefinanzierung aus den DRG eher als einen falschen Schritt, während Johna fordert, alle patientennahen Leistungen, also auch durch Ärzte oder Therapeuten aus den Fallpauschalen heraus zu trennen. Sie beklagt zudem, dass ärztliche Arbeitszeit durch eine zu starke Bürokratisierung verschwendet werde. Dazu passe der in den DRG-Jahren bewirkte Motivationsverlust beim ärztlichen Personal und den Pflegekräften. Bei letzteren zeige sich das darin, dass sie nur noch durchschnittlich neun Jahre im Beruf blieben.

Johna zögerte nicht, auch diejenigen zu benennen, die von dem System profitierten: »Das sind nicht nur die Aktionäre von Krankenhausbetreibern, sondern auch die von Softwarefirmen.« Ein immenses Beratungswesen sei entstanden, bei den Kassen gebe es den neuen Berufszweig der Fallprüfer. »Nach Hochrechnungen kommt in Deutschland pro 50 Krankenhausbetten eine Vollzeitkraft, die sich nur mit DRG-Fragen beschäftigt.« Leider gebe es auch einen indirekten ökonomischen Einfluss auf ärztliche Entscheidungen in den Krankenhäusern.

Hauptproblem seien die fehlenden Investitionen der Bundesländer in die Krankenhäuser, so Johna. Dieser notorisch zu niedrig ausfallende Beitrag führt dazu, dass es kontinuierlich zu einer Querfinanzierung über die Betriebskosten kommt, unter anderem zu Lasten des Pflegepersonals. »Würden die Länder ihren Beitrag leisten, müssten wir hier nicht über die DRG diskutieren.« Laut Krankenhausgesellschaft fehlen der Branche dadurch jährlich 3,7 Milliarden Euro.

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