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Rote Linien blockieren spanischen Haushalt
Sozialdemokraten und linke Koalitionspartner streiten um Sozialpolitik
Auch in diesem Jahr kann eine spanische Regierung dem Parlament keinen Haushalt in dem Rahmen vorlegen, den die Verfassung vorsieht. Das sollte drei Monate vor dem Ablauf des geltenden Haushalts geschehen. Doch die Verabschiedung im Kabinett musste immer wieder verschoben werden, zuletzt am Montag. Die Verhandlungen zwischen den Sozialdemokraten (PSOE) von Regierungschef Pedro Sánchez und dem Koalitionspartner sind festgefahren. Die Linkskoalition Unidas Podemos (Wir können es/UP) stellt sich nun an einigen Punkten auf die Hinterbeine. Sie hatte den Haushalt 2021 abgenickt, damit Spanien nach drei Jahren endlich ein neues Budget erhielt.
Da die Linke von ihren im Koalitionsvertrag vereinbarten Versprechungen bisher kaum etwas umsetzen konnte, hat sie in der Frage der Mietendeckelung nun eine rote Linie gezogen. Yolanda Díaz, kommunistische Arbeitsministerin und Vizepräsidentin der Regierung, ist eher zurückhaltend. Díaz trägt üblicherweise Koalitionsstreit nicht in die Öffentlichkeit, doch als neue UP-Führerin erklärte sie in der Mietenfrage: »Das Wohnen ist ein grundlegendes Problem für das Land, und es kann keinen gerechten wirtschaftlichen Aufschwung geben, ohne dieses Problem anzugehen.« Ione Belarra, die neue Chefin von Podemos, die in der Linkskoalition UP den Ton angibt, wird noch deutlicher: Sie hält ein Abkommen in der Frage für unumgänglich - eines, dass der »Mehrheit der Spanier zugutekommen« müsse, legte sich die Sozialministerin fest.
Linkskoalition muss liefern
Sie weiß, dass die starken neoliberalen Kräfte in der PSOE genau das verhindern wollen. Und Belarra fügte eine weitere für die Sozialdemokraten schwer zu schluckende Kröte hinzu: »Die Körperschaftssteuer von 15 Prozent muss Teil des Haushalts sein.« Das sagt sie mit Blick darauf, dass viele Firmen einen deutlich geringeren Satz bezahlen. Diese müssten an einem gerechten Aufschwung beteiligt werden, da sie auch von Geldern aus dem sogenannten EU-Wiederaufbaufonds profitieren, meint Belarra.
Die Linkskoalition muss endlich punkten. Sie wurde von ihren Wählern zuletzt immer wieder abgestraft, da sie bisher kein zentrales Versprechen umsetzen konnte. Bei Regionalwahlen in Galicien und Madrid stürzte sie ab. In Galicien flog Podemos aus dem Regionalparlament. Die linksnationalistische BNG wurde dagegen mit 24 Prozent zweitstärkste Kraft. In Madrid schickte Podemos im Mai sogar den Gründer Iglesias ins Rennen. Der holte sich eine blutige Nase und zog sich nach der Schlappe vollständig aus der Politik zurück.
An der Mietenfrage beißt sich UP nun fest, da die Deckelung auch linksnationalistische Unterstützer aus Katalonien und dem Baskenland fordern, deren Stimmen die Minderheitsregierung braucht. Katalonien kann dabei auf sein erfolgreiches Modell verweisen. Dort zeigt das Mietengesetz, gegen das Sánchez vor das Verfassungsgericht gezogen ist, schon Erfolge. Die Mieten sind in der Metropole Barcelona von durchschnittlich 980 Euro im Vorjahr auf 905 in diesem Jahr gefallen. Es wurden zudem 50 Prozent mehr Verträge abgeschlossen als 2020 - und gut vier Prozent mehr als 2019, vor der Covid-Pandemie.
Belarra geht zwar davon aus, dass man ein Abkommen erzielt, muss aber ihren Wählern nun etwas liefern. Denn auch andere Versprechen, wie das Schleifen des »Maulkorbgesetzes«, mit dem seit 2014 Rechte bei Demonstrationen beschnitten sind, wurden bisher nicht umgesetzt. Keine Spur auch von der Streichung der Arbeitsmarktreform der ultrakonservativen Vorgänger, die Sánchez auch anderen Unterstützern schriftlich versprochen hatte; nicht einmal die besonders schädlichen Aspekte wurden reformiert. Auf den Kompromiss, zumindest diese zu reformieren, sind die beiden großen spanischen Gewerkschaften schon eingeschwenkt, werden aber zunehmend unruhig. Dass der Mindestlohn nur um 15 Euro monatlich angehoben wird, bezeichnete sogar der Chef der großen Gewerkschaft UGT als »scheiße«. Pepe Alvarez, dessen UGT den Sozialdemokraten nahesteht, droht, keine Abkommen mehr zu unterzeichnen, wenn der Mindestlohn nicht bis 2022 um weitere 35 Euro auf 1000 Euro im Monat angehoben wird - vom Versprechen, ihn in dieser Legislaturperiode sogar auf 1200 Euro anzuheben, ist längst keine Rede mehr.
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