Präsidentendämmerung

Martin Ling über die Verfahren in Chile gegen Sebastián Piñera

Die Präsidentendämmerung von Sebastián Piñera ist in vollem Gange. Chiles rechter Präsident steht am 21. November zwar ohnehin nicht zur Wiederwahl, weil die chilenische Verfassung zwei aufeinanderfolgende Amtsperioden an der Spitze nicht erlaubt, aber sein politisches Ende könnte noch vor der offiziellen Amtsübergabe an seinen Nachfolger im Frühjahr 2022 besiegelt werden.

Es wird immer enger für Piñera, der mit 2,7 Milliarden Dollar Vermögen zu den fünf reichsten Chilenen gehört. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn im Zuge der Enthüllungen der »Pandora Papers« wegen möglicher Korruption. Und die Opposition hat im Parlament wegen seiner Verwicklung in die »Pandora Papers« beantragt, ein Amtsenthebungsverfahren in Gang zu setzen. Eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich. Die höhere Hürde ist der Senat, in dem eine Zweidrittelmehrheit benötigt wird. Der Senat fungiert als Jury und wird über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten entscheiden – wohl erst nach dem Wahltermin im Nobember.

Was immer dieses Amtsenthebungsverfahren erbringen wird – die Rechte hat abgewirtschaftet. Dass in den Umfragen Gabriel Boric vorne liegt, der Kandidat der progressiven Frente Amplio, die gemeinsam mit den Kommunisten regieren will, zeigt, wie sich der Wind im neoliberalen Musterstaat der »Chicago Boys« gedreht hat. Die massiven Proteste gegen die soziale Ungleichheit von 2019 haben einen Stein ins Rollen gebracht, der in die Verfassunggebende Versammlung mündete, die derzeit tagt und in der die Rechte nicht einmal eine Sperrminorität hat.

Dass Piñera ausgerechnet am Tag der Eroberung von Kolumbus im Süden Chiles einen Ausnahmezustand ausgerufen hat, um der indigenen Mapuche Herr zu werden, ist Ablenkungsmanöver und Verzweiflungsakt zugleich. Es sind die letzten Zuckungen seiner Amtszeit. Sie könnten blutige Folgen haben. Chiles Linkswende verhindern können sie nicht.

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