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Emanzipatorische Meilensteine
Armin Strohmeyr stellt große Philosophinnen vor - von Héloīse und Hildegard von Bingen bis Hannah Arendt
Ein Studienbuch ist es nicht, aber ein schönes Lesebuch. Zehn Philosophinnen porträtiert der Germanist Armin Strohmeyr und wagt die Aussage, dass ihr Denken die Welt prägte. Das ist bei einigen der Frauen zweifellos der Fall, aber nicht bei allen. Das meiste aber ist interessant, manches auch überraschend und alles mit leichter Feder geschrieben. Vor jedes Porträt setzt der Autor eine kurze kultur- oder philosophiegeschichtliche Einleitung von wenigen Seiten. Jeder Philosophin widmet er eine kurze biografische Skizze, im Mittelpunkt stehen ausgewählte Werke, Briefe oder sonstige Zeugnisse ihres Denkens. Die Hälfte der Porträtierten sind Französinnen, vier ihrer Herkunft nach Jüdinnen.
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Armin Strohmeyr: Große Philosophinnen. Wie ihr Denken die Welt prägte. Zehn Porträts.
Piper, 318 S., geb., 12 €.
Einige sind dem interessierten Publikum durch umfangreichere Fachpublikationen bestens bekannt. Bei einigen spielen auch die Männer ihres Lebens mit in diesem Reigen über 1000 Jahre. Und dieser beginnt mit der menschlich großartigen Liebesgeschichte zwischen Héloīse (1099-1164) und Abaelard. Die ist vielfach rezipiert worden und bekannt als frühemanzipiertes Denken einer »Advokatin der Liebe«. Der Nachruhm der Scholastikerin, die ihr »Recht auf Liebe« gegen Gott und die Welt verteidigt und durchgesetzt hat, wirkt bis in die Gegenwart. Nach mehreren Umbettungen war 1817 für sie gemeinsam mit ihrem Geliebten Peter Abelard (1079-1142) auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise ein monumentales Grabmal errichtet worden.
Die Scholastik verwandte eine dialektische Methode, die Theologie, Philosophie und andere Wissenschaften verband. Davon hielt die Mystikerin Hildegard von Bingen (1098- 1179) nichts, und entsprechend gering ist ihr philosophischer Ertrag. Ihre heute von vielen geschätzten Qualitäten lagen eher auf poetischem Gebiet. Ganz anders dagegen Christine de Pizan (1364-1430), die mit ihrem »Buch von der Stadt der Frauen« einen philosophischen und emanzipatorischen Meilenstein setzte. Die Stadtbaumeister dieser Stadt der Frauen sind Vernunft, Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit, alle weiblich. Jeanne d’Arc wird eine Ehrenbürgerin dieser sicher lebenswerten Stadt.
Émilie du Châtelet (1706-1749), die langjährige Geliebte von Voltaire, mit dem sie ein scharfzüngiges Doppel in der Aufklärung abgab, war eine begnadete Naturwissenschaftlerin und Philosophin. Weniger bekannt, aber sehr lesenswert ist ihre »Rede vom Glück«. Ricarda Huch (1864-1947) hätte man wegen ihres riesigen literarischen Werkes nicht unbedingt in der Reihe der großen Philosophinnen vermutet. Strohmeyr belehrt sein Publikum eines Besseren, weist vor allem auf ihre in der vielgeschmähten »inneren Emigration« bewahrte und gewonnene Distanz und Gegnerschaft zu den Nazis hin.
Die beiden Jüdinnen Edith Stein (1891- 1942) und Simone Weil (1909-1943) konnten während der Nazizeit nicht in Deutschland bzw. Frankreich bleiben. Edith Stein, eine Husserl-Schülerin, die zum Katholizismus konvertierte, wurde aus ihrem klösterlichen Versteck in den Niederlanden zusammen mit ihrer Schwester nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Die Französin Simone Weil war sozialistische Aktivistin, Philosophin (»Ich kann, also bin ich«) und zugleich Mystikerin. Sie konnte vor den Nazis in die USA entkommen.
Über die beiden großen Philosophinnen des 20. Jahrhunderts, Hannah Arendt (1906- 1975) und Simone de Beauvoir (1908-1986) ist vieles bekannt. Die eine gilt als politische Philosophin, die über den Totalitarismus schrieb und deren Wort von der »Banalität des Bösen« (Eichmann) in der Welt ist. Die andere hat mit »Das andere Geschlecht« einen entscheidenden Impuls zur Emanzipations- und Gleichberechtigungsdebatte gegeben und überdies dem Existenzialismus, den ihr Lebenspartner Sartre vertrat, die fehlende ethische Komponente hinzugefügt. Schließlich wendet sich Strohmeyr der Schweizerin Jeanne Hersh (1910-2000) zu, Sektionsleiterin Philosophie bei der Unesco. Mit allen Porträts weckt der Autor dankenswerterweise Lust auf die Lektüre von Originaltexten.
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