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Megaparlament geht an den Start

Halbherzige Wahlrechtsänderung der GroKo verhinderte lediglich ein noch stärkeres Anwachsen des Bundestages, der sich am Dienstag konstituiert

Der 20. Deutsche Bundestag ist, was die Zahl der Abgeordneten betrifft, der größte aller Zeiten. Man könnte ihn auch als eine Art Roten Riesen der Politik bezeichnen - einen ständig wachsenden, aber stetig an Dichte verlierenden Stern. Wie stark er nach einer echten Wahlrechtsreform schrumpfen wird, bleibt abzuwarten.

Die Große Koalition, deren Amtszeit jetzt endet, hatte bereits eine kleine Wahlrechtsreform in zwei Stufen beschlossen, von denen die erste Auswirkungen auf die Bundestagswahl am 26. September hatte. Sie sorgte jedoch lediglich dafür, dass der Bundestag nicht ganz so stark anwuchs wie ohne jede Reform. Er zählt 736 Abgeordnete - so viele wie noch nie und noch einmal 27 mehr als der vorige.

Das Gros des Zuwachses geht nach Angaben des Wahlforschers Robert Vehrkamp auf das Konto der CSU. Diese habe 45 der 46 Direktmandate in Bayern gewonnen, nach dem Zweitstimmenanteil hätten ihr aber nur 34 Sitze zugestanden, rechnete der Wissenschaftler der Bertelsmann Stiftung nach der Wahl vor. Von diesen elf Überhangmandaten seien immerhin drei unausgeglichen geblieben. So sieht es die von Union und SPD beschlossene Wahlrechtsänderung vor. Die anderen acht Überhangmandate für die CSU führten wiederum zu 126 Ausgleichsmandaten für die anderen Parteien.

Hätte es die kleine Wahlrechtsänderung nicht gegeben, wäre der Bundestag noch größer. Denn dann wären auch die übrigen drei Überhangmandate ausgeglichen worden. In diesem Fall würden dem Berliner Parlament nach Berechnung von Vehrkamp sogar 785 Abgeordnete angehören.

Der zweite Schritt der von der GroKo beschlossenen Änderungen kommt erst bei der Bundestagswahl 2025 zur Anwendung. Dann soll die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 reduziert werden. Dies wäre nach Ansicht von Experten auch schon zur diesjährigen Wahl möglich gewesen.

FDP, Grüne und Linke hatten 2019 einen eigenen Entwurf für eine Wahlrechtsreform vorgelegt. Hätte dieser eine Mehrheit bekommen und wäre Gesetz geworden, gäbe es jetzt nur 662 Abgeordnete. Er sah im Kern vor, dass es nur noch 250 Wahlkreise geben soll, was auch die Zahl der Direktmandate senken würde. Kritiker monierten aber, dass sich so das Aktionsfeld für Abgeordnete sehr stark vergrößere. Diese könnten dann kaum noch überall im Wahlkreis präsent sein. Gleichzeitig wollten die drei Parteien die im Bundeswahlgesetz vorgesehene reguläre Sitzzahl von derzeit 598 auf 630 erhöhen und das sogenannte Sitzkontingentverfahren abschaffen, das die 598 Sitze nach Bevölkerungsanteil auf die Bundesländer aufteilt. Auch dies führe zu Ausgleichsmandaten und so zur Vergrößerung des Bundestags, begründeten die drei Fraktionen diesen Vorschlag. Bei Zustandekommen einer Ampelkoalition könnte zumindest das Projekt der Parlamentsverkleinerung deutlich vorankommen.

Unmittelbar nach der Wahl hatte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, erklärt, die Wahlrechtsreform sei eine der wichtigsten Aufgaben der des neuen Bundestages. »Wir brauchen ein Wahlrecht, das fair, verfassungsfest ist und das Größenwachstum des Deutschen Bundestages deckelt«, sagte Buschmann dem Sender Phoenix. Die Schuld dafür, dass eine echte Reform noch nicht umgesetzt ist, sah Buschmann bei der Union und SPD gleichermaßen. Das Anwachsen des Parlaments schade »der Arbeitsfähigkeit und damit der Demokratie«. Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler sind durch die erneute Vergrößerung des Bundestages in den kommenden vier Jahren im Vergleich zu einem Parlament mit einer gesetzlichen Obergrenze von 598 Mandaten Mehrkosten von mindestens 410 Millionen Euro zu erwarten. Ein im Bau befindliches Erweiterungsgebäude für Abgeordnete soll noch in diesem Winter fertiggestellt werden.

Das System der Überhang- und Ausgleichmandate soll eigentlich sicherstellen, dass jeder über die Erststimmen direkt gewählte Abgeordnete im Bundestag sitzt, aber das Kräfteverhältnis bei den Zweitstimmen, die nur an eine Partei vergeben werden, trotzdem stimmt. Die Zahl der Sitze im Bundestag steigt seit 2002 von damals 603 kontinuierlich. Zuvor war der Bundestag im Jahr 1990 - es war der erste, in dem nach dem Beitritt der DDR auch Ostdeutsche vertreten waren - mit 662 Abgeordneten schon einmal besonders groß gewesen und in den beiden darauffolgenden Legislaturperioden weiter angewachsen.

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