Konfuzius und Kommunismus

Stefan Aust und Adrian Geiges nennen Xi Jinping den mächtigsten Mann der Welt

  • Harald Ioch
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Autorengespann zieht, der Titel zieht. Stefan Aust war lange »Spiegel«-Chefredakteur und ist heute Herausgeber der »Welt«. Er gehört zu den wenigen Journalisten, die ein chinesisches Staatsoberhaupt interviewen konnten. Adrian Geiges hat zehn Jahre in China gelebt und berichtete von dort für den »Stern«. Ihnen geht es jetzt um den angeblich mächtigsten Mann der Welt, um Xi Jinping, den Staatspräsidenten und Generalsekretär der KP Chinas. Das spannend und kurzweilig wie ein Magazinartikel der beiden Autoren geschriebene Buch ist zweierlei: biografische Skizze und journalistische Analyse der Politik.

Um den Lebensweg von Xi - der Familienname steht im Chinesischen am Anfang - besser zu verstehen, wird auch das eindrucksvolle, unter Mao nicht gerade einfache Leben seines Vaters Xi Zhongxun eingeblendet, eines Guerillaführers auf dem legendären »Langen Marsch«. Er wird nach dem Sieg der Revolution stellvertretender Premierminister. Seine Frau Qi Xin war seit ihrem 15. Lebensjahr Mitglied der KP und unterrichtete an der zentralen Parteischule der Kommunistischen Partei. Ihr gemeinsamer, 1953 in Peking geborener Sohn Xi Jinping gehörte damit, so die Autoren, zum »Roten Adel«, was nicht zu allen Zeiten vorteilhaft war, vor allem nicht während der sogenannten Kulturrevolution.

Die wichtigsten Aspekte chinesischer Politik in Zeiten von Xi Jinpeng und dessen politischen Werdegang beschreiben die Autoren in einzelnen, historisch-zeitgeschichtlich gegliederten Artikeln: »Wie zusammenwächst, was nicht zusammengehört« lautet zum Beispiel der Untertitel des Kapitels über Konfuzius und Kommunismus. »Konfuzius (551-479 v. Chr.) war ein fernöstlicher Pionier von Vernunft und Aufklärung und entwickelte praktische Ideen, wie Menschen zivilisiert zusammenleben sollten«, fassen die Autoren dessen von seinen Schülern überlieferte Lehre zusammen, die seit zweieinhalb Jahrtausenden das Denken und bisweilen auch das Handeln der Menschen in China bestimmt. Mao jedoch ließ dessen Lehre und deren Anhänger verbieten und verfolgen, während Xi sie wieder in sein Projekt eines kommunistischen China integriert. Was nicht der Modernisierung des Landes entgegenzustehen scheint.

Die überwältigende digitale Modernität Chinas flößt westlichen Beobachtern, die das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in Anspruch nehmen, eher Furcht ein. Unter dem Titel »Von 5G bis TikTok« gehen die Autoren unter anderem auf die US-amerikanisch-chinesische Kontroverse um den gigantischen Telekommunikationsausrüster Huawei ein. Zwei in westlichen Medien wahrscheinlich überzeichnete Probleme, die in China selbst entsprechend der betroffenen geringen Bevölkerungsanteile weniger hoch gehängt werden, sind im Kapitel »Der Dalai Lama und die Uiguren« Gegenstand der Erörterung. Die Autoren verschließen die Augen weder vor kleineren tibetanischen Provokationen gegen die übermächtige Zentrale in Peking noch vor menschenrechtswidriger »Umerziehung« Hunderttausender muslimischer Chinesen in den Nordostprovinzen.

Die heikle ökologische Bilanz Chinas sieht bei einer Pro-Kopf-Betrachtung gegenüber den USA oder auch Europa gar nicht so negativ aus wie hierzulande oft behauptet. Die Autoren korrigieren das falsche westliche Bild behutsam. Xi hat den Umweltschutz gleichsam zu einer Chefsache gemacht. Das gilt erst recht für sein Lieblingsprojekt, die »Neue Seidenstraße«, auf die das Buch durchaus auch kritisch eingeht, es zugleich jedoch in seiner eindrucksvollen Dimension mit dem US-amerikanischen Marshallplan für Westeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg vergleicht, den es allerdings in umgerechneter Währung um ein Vielfaches übertrifft.

Das Buch sticht aus der Vielzahl aktueller Publikationen über China durch seine auf unmittelbare Eindrücke gestützte Authentizität heraus und verknüpft zu Recht die zeitgeschichtliche Darstellung der chinesischen Politik und Gesellschaft mit ausgewogen kritischer Würdigung des persönlichen Anteils von Xi Jinping. Ob ein Titel wie »Der mächtigste Mann der Welt« gerechtfertigt ist, mag offen bleiben, unstreitig aber steht er dem bevölkerungsreichsten Land der Welt vor, das seine volkswirtschaftliche Entwicklung nicht in kleinen Schritten, sondern in jährlichen großen Sprüngen beschleunigt.

Stefan Aust/Adrian Geiges: Xi Jinping. Der mächtigste Mann der Welt. Piper, 287 S., geb., 22 €.

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