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Mit Eilanträgen gegen den Staatstrojaner
Seit Geheimdienste in Deutschland legal überwachen dürfen, sind investigative Journalisten kaum noch geschützt
Es ist fast unmöglich, nicht im Netz der Überwachung zu landen. Seit im Juni dieses Jahres die Große Koalition von CDU/CSU und SPD die deutschen Geheimdienste ermächtigte, den Staatstrojaner einzusetzen, fürchten Journalist*innen um den Quellen- und Informant*innenschutz.
Dagegen setzen sich die Betroffenen nun zur Wehr. Am Donnerstag stellte in Berlin die Organisation Reporter ohne Grenzen, die zuletzt auch die Verfassungsklage gegen das Bundesnachrichtendienstgesetz gewonnen hatte, ihre Klage gegen den Staatstrojaner vor. Rechtsanwalt Niko Härting wird für Reporter ohne Grenzen, das Whistleblower-Netzwerk sowie für die Journalist*innen Christina Schmidt, Martin Kaul und Christian Fuchs mit Eilanträgen an mehreren Verwaltungsgerichten versuchen, der digitalen Überwachung wirkungsvolle Grenzen zu setzen. Härting zeigte sich optimistisch, dass Resultate des Verfahrens bereits in wenigen Monaten zur Wirkung kommen könnten, da es sich um Eilanträge handelt. Um das BND-Gesetz gerichtlich als verfassungswidrig bewerten zu lassen, hatte es mehrere Jahre Arbeit bedurft.
»Dieses Gesetz ist ein Frontalangriff auf den Informantenschutz im digitalen Raum«, sagte Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen. »Was im analogen Leben selbstverständlich ist - dass Redaktionen nicht durchsucht und Medienschaffende nicht gezwungen werden dürfen, ihre Quellen preiszugeben - muss im Digitalen neu erkämpft werden.« Weder Verfassungsschutzämter noch Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst sollen mit dem Einsatz des Staatstrojaners Journalist*innen direkt oder indirekt ausspähen dürfen.
Es ist eine Grauzone, die mit den Staatstrojanern betreten wird. Durften bis zur Gesetzesnovelle lediglich Behörden, die wegen Straftaten ermittelten, den Trojaner nutzen, sind seit Juni auch die datensammelnden Geheimdienste am Werk. Für die betroffenen Investigativjournalist*innen, die sich für ihre Recherchen mit potenziell ausgespähten Hinweisgeber*innen treffen, liegt der Verdacht nahe, dass ihre Kommunikation abgehört wird. Sie gelten als »unverdächtige Nebenbetroffene« und werden von den Geheimdiensten als Beifang angesehen. Die Klagenden Schmidt, Kaul und Fuchs haben sich mit ihren teils preisgekrönten Recherchen reichlich Gelegenheiten eingehandelt, um von Überwachungsmaßnahmen betroffen zu sein. Sie befassten sich immer wieder für »Taz«, »Zeit« und WDR mit Rechtsextremismus. Verfehlungen im Bereich des Kommandos Spezialkräfte (KSK) waren ebenso Thema, wie die Vernetzungen rechtsextremer Prepper im Uniter-Komplex, in dem Beteiligte aus Polizei und Bundeswehrkreisen Umsturzpläne hegten.
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Auskünfte darüber, ob sie im Rahmen ihrer Arbeit bereits überwacht worden sind, erhalten Journalist*innen nur in seltenen Einzelfällen. Ein Rechtsanspruch darauf fehlt bislang. Martin Kaul machte deutlich, dass die Recherchen sehr oft auch die Geheimdienste selbst und ihr Handeln betreffen. »Sie sind nicht in jeder weise neutral. Das heißt, es ist wichtig, dass es auch journalistische Kontrolle dieser Arbeit gibt«, so Kaul. »Wir verstehen uns in diesem Sinne auch als Menschen, die dazu beitragen können, das Sicherheitslagebild in Deutschland zu vervollständigen.« Kaul möchte nicht davon abhängig sein, was die Behörden selber mitteilen. »Ich betrachte das eigentlich auch als freundschaftlichen Akt in Richtung der Sicherheitsbehörden«, kokettierte er. Das gemeinsame Interesse müsse die Herstellung einer Rechtssicherheit sein. Sowohl der Rechtsschutz müsse gewährleistet sein, als auch die Informationspflichten geregelt. Auch bei den Prüfungs- und Kontrollmechanismen in den Behörden selbst gebe es »viel Luft nach oben«.
Härting hob hervor, dass sich mit den Grenzen der Befugnisse von Geheimdiensten kaum befasst werde. Nur eine Handvoll Jurist*innen würden sich wissenschaftlich mit den Gesetzesgrundlagen befassen und Kommentare zur Rechtssprechung verfassen. Dies läge vor allem daran, dass es nur wenige Fälle gebe, da die Dienste im Verborgenen arbeiten. Vorschriften aus der Strafprozessordnung oder den Polizeigesetzen seien juristisch deutlich besser begleitet und hinterfragt.
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