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Alien unter uns?
Biolumne
Das Leben hat seine lange genetische Geschichte mit einem Alphabet von nur vier Buchstaben geschrieben. Hinter denen verbergen sich vier kleine organische Verbindungen, die auch Basen genannt werden: A=Adenin, G=Guanin, T=Thymin und C=Cytosin. Die wechseln sich, an Zucker gebunden und über Phosphat verknüpft, im Erbmolekül DNA in unterschiedlichster Folge ab. Dadurch wird in diesen riesigen Molekülen die Information verschlüsselt, die von Generation zu Generation weitergereicht wird. In einigen Abschnitten der DNA bilden je drei Basen ein Wort, von denen viele hintereinander wie in Sätzen geordnet sind. Diese Sätze sind die Gene, die die Information für die Bildung von Proteinen tragen.
64 unterschiedliche Worte mit drei Zeichen lassen sich aus vier Buchstaben bilden. Mehr als genug, um alle 20 Aminosäuren, die das Baumaterial unserer Proteine bilden, zu codieren. Codons wurden die Dreierkombinationen der Basen deshalb auch getauft, deren Reihenfolge in den Genen dafür sorgt, dass die Aminosäuren in der erforderlichen Abfolge verknüpft werden. Die Verschlüsselung ist bei allen Lebewesen - ob Bakterien, Pflanzen oder Tieren - gleich. Das zeigt nicht nur, dass alles Leben einen gemeinsamen Ursprung hat, sondern es ermöglicht uns auch, Bakterien zu nutzen, um auf der Grundlage des entsprechenden menschlichen Gens Insulin zu produzieren. Selbst Viren bedienen sich letztlich desselben Alphabets, sonst könnten sie unsere Zellen nicht so unheilvoll für uns für ihre Vermehrung umfunktionieren.
Der genetische Code ist universell. Das gilt für das ganze Erdenrund. Doch es schwingt sogar ein anderer Gedanke mit. Wenn irgendwo - vielleicht sogar auf dem Mars? - außerirdisches Leben existierte, wie wird dort die Information gespeichert? Wird das gleiche Alphabet genutzt oder haben Außerirdische vielleicht ein ganz anderes?
Nun wurde offenbar - solch ein hypothetisches Aliengenom gibt es bereits - mitten unter uns auf der Erde. ( DOI: 10.1038/ d41586-021-01157) Einige Viren, und zwar solche, die Bakterien infizieren und auch Bakteriophagen genannt werden, nutzen ein alternatives genetisches Alphabet. Das Adenin ist bei ihnen durch eine Base, die »Z« getauft wurde, ersetzt. Diese Z-Base ist ein Adenin mit einer zusätzlichen Aminogruppe. Das mag wenig aufregend klingen, aber es verändert die Eigenschaften der Base enorm. Dadurch können Bakteriophagen dem Abwehrsystem der Bakterien entkommen. Und in der berühmten DNA-Doppelhelix bilden sich, wenn eine Z-Base ein Adenin ersetzt, zum Thymin des anderen Stranges nun drei anstatt zwei Wasserstoffbindungen aus. Das erhöht deren Stabilität. Mögliche Anwendungen sind bereits in Sicht. Schon die »normale« DNA hat - man denke nur an Neandertaler oder Mammut - bewiesen, was für erstaunlich haltbare Speichermöglichkeiten in ihr stecken. Die Z-DNA mag sie darin sogar übertreffen. Dadurch wird sie zu einem aussichtsreichen Kandidaten für Datenspeicherung auf biologischer Basis. Das könnte ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung von Biocomputern sein.
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