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Morgenröte an der Ostsee
SPD und Linke haben ihren Koalitionsvertrag vorgestellt - in diesem steckt ein Anfang
Acht große Verhandlungsrunden, zwei Verhandlungsführerinnen und Parteien, zwischen denen nach eigenem Bekunden »die Chemie stimmt«, 26 Tage von der Mitteilung der SPD an die Linkspartei, dass sie mit ihr eine Koalition bilden will, bis zum fertigen Vertrag: Sozialdemokraten und Linke in Mecklenburg-Vorpommern haben sich äußerst zügig und reibungslos auf die Inhalte ihrer Regierungsarbeit in den kommenden fünf Jahren verständigt.
Das Ergebnis haben am Montag die geschäftsführende Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Simone Oldenburg, Vorsitzende der Linksfraktion im Schweriner Landtag, vorgestellt. »Dieser Vertrag ist stark, er wird unser Land voranbringen«, so ist sich Schwesig sicher. Bei Umsetzung des Vertrages würden die Bürger*innen in fünf Jahren in einem Land leben, das sich wirtschaftlich entwickelt habe, in dem sich Arbeitsmarkt, Löhne und soziale Gerechtigkeit verbessert hätten, und der Klimaschutz vorangekommen sei. Besonders hob Schwesig die Eintracht der Verhandlungspartner hervor. Bei den verabredeten Vorhaben handele es sich um gemeinsame Vorhaben von SPD und Linkspartei. Zu Beginn der Verhandlungen, so Schwesig, habe Simone Oldenburg den Wunsch geäußert, dass jedes Projekt der Koalition ein gemeinsames Vorhaben ist. Diesen Vorschlag habe man vonseiten der SPD »gerne aufgenommen«. So gibt es für Schwesig auch kein »wo hat sich denn die SPD durchgesetzt, wo hat sich denn die Linke durchgesetzt«. Auch Oldenburg unterstrich ihrerseits die Gemeinsamkeiten, den beiderseitigen Wunsch, das Land sozialer und gerechter machen zu wollen. Deshalb werde man die kostbare Zeit nicht für Streitigkeiten verschwenden.
Nach Betonung der Gemeinsamkeiten und Aufzählung der Vorhaben, die nun im Koalitionsvertrag festgehalten worden sind - Schwesig und Oldenburg wechselten sich dabei ab - lieferte die Ministerpräsidentin gegen Schluss der Vertragsvorstellung denn noch eine entscheidende Einschätzung des vorher gehörten. »Wir legen hier einen Koalitionsvertrag vor, der finanziell realistisch ist. Wir wissen, dass es noch viel mehr Wünsche gibt, bei Lehrern, bei kleineren Gruppen in Kitas und bei vielen vielen Programmen«, so Schwesig. Aber man habe sich von Anfang an an den bewusst gleich zu Beginn der Verhandlungen abgesteckten finanziellen Rahmen gehalten - eine große Herausforderung für beide Seiten, so Schwesig. Bereits in der ersten inhaltlichen Verhandlungsrunde hatten sich SPD und Linke auf eine »solide Finanzpolitik« verständigt. Heißt vor allem: Haushalte ohne neue Schulden.
Unter diesen Prämissen ist denn auch das von den Koalitionären während der Verhandlungen kontinuierlich beschworene Motto und der Titel des Koalitionsvertrags »Aufbruch 2030« absolut passend. Genauso muss man das Geplante in vielen Punkten einschätzen: als Beginn eines langen Weges oder wenn man es lyrisch-maritim mag, als Morgenröte über der Ostsee, der der Tag folgen wird.
Veranschaulichen lässt sich dies gut am Bereich der Kinderbetreuung, in dem es auch laut Schwesig vonseiten der Koalitionäre viele weitere Wünsche gegeben habe. So heißt es im Koalitionsvertrag, über den am kommenden Samstag zwei jeweilige Parteitage abstimmen sollen: »Neue Fachkräfte werden es den Koalitionspartnern ermöglichen, den Erzieherinnen und Erziehern künftig mehr Zeit für die Förderung der Kinder zu geben und den eingeschlagenen Weg der Verkleinerung der Kindergartengruppen fortzusetzen. Unser Ziel ist, das Fachkraft-Kind-Verhältnis im Laufe der Legislaturperiode auf 1:14 zu verbessern.« Gegenüber dem bisherigen Verhältnis von 1:15 ist dies zwar eine Verbesserung. Von einem guten oder gar dem Idealzustand, sprich einem wissenschaftlich empfohlenen Betreuungsverhältnis, ist das dann aber noch Welten entfernt. So empfehlen etwa Forscher der Bertelsmann-Stiftung, einen Qualitätsstandard für den Personalschlüssel bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren von 1:3 und für die Altersgruppe der Kindergartenkinder (Kinder ab drei Jahren bis zur Einschulung) einen Personalschlüssel von 1:7,5. Für die Gewerkschaft Verdi ist das Koalitionsziel denn auch kein »großer Wurf«, sondern ein »größeres Würfchen«.
Um Schwesigs Worte aufzugreifen: Der Koalitionsvertrag hat durchaus das Potenzial das Land voranbringen - aber eben nicht bis ans Ziel. SPD und Linke versuchen sich unter den erwähnten finanziellen Rahmenbedingungen daran, Verbesserungen zu erzielen, die Probleme im Land anzugehen - ohne diese am Ende der Legislaturperiode gänzlich gelöst zu haben. Das mag vor allem der Linkspartei als Schwäche ausgelegt werden - nach dem Motto »schaut her, die fordern immer viel und setzen dann nichts um«.
Auf der anderen Seite mag es von den Bürger*innen aber auch honoriert werden, dass es im Rahmen der Möglichkeiten erste Verbesserungen gibt. Die Wahlergebnisse in fünf Jahren werden es zeigen.
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