Xi Jinping schreibt Geschichte

»Historische Resolution« ebnet dem Staats- und Parteichef den Weg zur dritten Amtszeit

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 4 Min.

Xi Jinping ist bereit für den 20. Parteitag im Herbst 2022, wenn er sich als Partei- und Staatschef für eine dritte Amtszeit bestätigen lassen will. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas hat in dieser Woche eine Historische Resolution zu den »wichtigsten Errungenschaften und historischen Erfahrungen des hundertjährigen Kampfes der Partei« verabschiedet. Derartige Erklärungen hatte es bislang erst zweimal gegeben: 1945 unter Mao Zedong und 1981 unter Deng Xiaoping.

In der Resolution heißt es, Xis politische Theorie sei »der Inbegriff der chinesischen Kultur und Seele«. Die Präsenz des Anführers im »Herzen« der Regierungspartei sei »von entscheidender Bedeutung (...), um den historischen Prozess der großen Erneuerung der chinesischen Nation zu fördern«. Damit steht einer dritten Amtszeit Xis nichts mehr im Weg.

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Abrechnungen mit der Vergangenheit

Die Historischen Resolutionen von 1945 wie auch 1981 dienten einem politischen Zweck. Mit der ersten besiegte Mao seine Parteigegner und wurde alleiniger Parteiführer. Sie zielte darauf ab, die »historische Frage« dessen zu lösen, was Mao als Schaden für die Partei durch »linken Opportunismus« bezeichnete - seine parteiinternen Gegner wurden ins Abseits gestellt. Mit der Historischen Resolution von 1981 begrub Deng Xiaoping die Auswüchse des Maoismus, die Kulturrevolution. Die KPCh stellte fest, dass Mao schwerwiegende Fehler begangen hatte, gleichzeitig wurden seine Leistungen anerkannt.

Die neue Historische Resolution ist anders als die vorangegangenen keine Abrechnung mit der Vergangenheit: Statt ein Problem aus einer bestimmten Epoche anzusprechen, werden die Errungenschaften der Partei während ihrer gesamten 100-jährigen Geschichte gewürdigt. Und sie beseitigt letzte Zweifel, ob Xi China weiter führen wird. Das Parteigremium rief »die gesamte Partei, die gesamte Armee und die Menschen aller ethnischen Gruppen auf, sich noch enger um das Zentralkomitee mit Xi Jinping als Kern zu scharen«.

Xi mag nach außen hin allmächtig erscheinen, aber parteiinterne Streitigkeiten, Manöver und Machtkämpfe sind ein fester Bestandteil der größten politischen Organisation der Welt mit ihren rund 95 Millionen Mitgliedern. Sechs Plenumsversammlungen des Zentralkomitees dienen traditionell der Konsensbildung und der Beseitigung noch bestehender Differenzen vor Parteitagen. Nachdem schon beim 19. Parteitag 2017 die Amtszeitbeschränkung des Parteichefs aufgehoben wurde, liefert die Resolution nun die Begründung dafür, dass Xi erstmals seit Mao eine dritte Amtszeit antreten soll.

Auch wenn bisher nur ein Kommuniqué herausgegeben und nicht die Resolution selbst veröffentlicht wurde, so steht die Bedeutung der Dokumente außer Frage. China habe einen neuen »historischen Startpunkt« erreicht, erklärten Parteivertreter bei einer Pressekonferenz am Freitag in Peking.

Nun will Xi eine neue Ära einleiten. Im August erklärte er zur Staatsräson, »gemeinsamen Wohlstand« zu generieren - eine Unterscheidung zu Dengs Aufbau eines »gemäßigten Wohlstands« samt Entfesselung des chinesischen Unternehmerinstinkts mit Sprüchen wie »reich zu werden ist ruhmreich« und »es ist egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, solange sie Mäuse fängt«. Als Deng 1981 den Maoismus zu Grabe trug, ohne dabei Maos revolutionären Beitrag zu verwerfen, hatte wohl niemand vorausgesehen, dass China innerhalb einer Generation den globalen Status quo umstoßen und sich von einem rückständigem zu einem Land entwickeln würde, das den Westen an vielen Fronten herausfordert. In der Pressekonferenz am Freitag hieß es, während die westlichen Demokratien »ein Spiel der Reichen« spielten, müsse die Partei »den Kuchen weiter vergrößern und die Stücke besser teilen«.

Neue und alte Herausforderungen

Xi steht teilweise vor anderen Herausforderungen als sein Vorgänger. Dengs Aufgabe bestand darin, die kreativen Energien eines Landes zu fördern, das eine Reihe von Katastrophen erlebt hatte, die in der Kulturrevolution gipfelten. Teilweise ähneln sich aber die Herausforderungen: Xi muss China von einer exportorientierten Niedriglohnwirtschaft in eine Wirtschaft umwandeln, die von einem riesigen Verbrauchermarkt angetrieben wird. Diese Herausforderungen wurden in den letzten Monaten durch den Beinahe-Zusammenbruch von Evergrande, Chinas größtem Immobilienentwickler, oder durch Stromengpässe und Stromausfälle deutlich. Hinzu kommt, dass sich Chinas Wirtschaftswachstum abschwächt.

Die Historische Resolution soll als Grundlage für den Kurs der Partei bis 2049 dienen. Bis dahin dahin soll China »voll entwickelt, reich und mächtig« sein und so wieder die weltweite Stellung einnehmen, die es historisch betrachtet für sich in Anspruch nimmt. Xi Jinping wird die Volksrepublik auf diesem Weg noch ein Weile anführen.

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