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Das Ende des Spiels

Pedro Almodóvar überrascht mit dem Kurzfilm »The Human Voice«

Zollstock und Schraubenschlüssel, Zange und Säge gleiten formschön über die Leinwand zu Beginn von Pedro Almodóvars Film »The Human Voice«. Dieser Virtuose des kunstvollen Vorspanns gewinnt sogar Werkzeugen ihren ästhetischen Reiz ab. Zum Einstieg setzt er Tilda Swinton dann in diesem Eine-Person-und-ein-Hund-Film gekonnt in einem Baumarkt in Szene. Die makellos gekleidete Dame braucht eine Axt, emotionaler Ausgleich wird dringend notwendig.

»The Human Voice« ist ein Experiment der Pandemiezeit. Es ist der erste Film, den Almodóvar auf Englisch drehte. Als Kurzfilm von dreißig Minuten Länge und mit sehr reduziertem Aufwand und Personal steht er für Corona-Maßnahmen-konformes Produzieren. Dass es ein solches Werk dem Diktat der Hundertminüter zum Trotz ins Kino schafft, ist eine kleine Sensation.

Das liegt selbstredend an den großen Namen: Swinton ist eine der eigenwilligsten Schauspielerinnen aus dem Reich Hollywood; Almodóvar zählt zu den bildstärksten Vertretern des europäischen Gegenwartskinos.

Der Filmemacher hat seine künstlerische Karriere als Punkmusiker und Theaterkünstler begonnen. Das Interesse für die Bühne hat ihn nicht verlassen, treten doch in fast allen seiner Filme Theaterdarsteller oder Dramatiker als Figuren auf, wenn nicht Pina Bauschs Tanztheater auf die Leinwand gerät wie in »Sprich mit ihr«.

Mit »The Human Voice« hat er sich nun eines Stückes von Jean Cocteau angenommen, das auf Deutsch unter dem Titel »Die menschliche Stimme« bekannt ist. Der Avantgardist Cocteau hat 1930 einen Monolog für eine Frau geschrieben, die drei Tage nach der Trennung von ihrem Mann mit ihm telefoniert und dabei alle Stadien der Trauerarbeit durchläuft. Ohne Besserung.

Almodóvar übersetzt das Stück ganz und gar in die Gegenwart. Die verlassene Frau, die Swinton gibt, ist nicht mehr allein verzweifeltes Opfer, sondern ein kluger Mensch, der seine Verletztheit in neue Kraft zu wenden weiß. Sie zieht alle darstellerischen Register, zeigt die Überlegen-Coole, die den Schmerz leugnet, und die Selbstzerstörerisch-Ehrliche, die zurückbekommen will, was ihr fehlt. Diese eine Seite des Gesprächs, die zu hören ist, trägt bestens über die halbe Stunde. Ob jemand am anderen Ende der Leitung ist oder ob wir es mit einer skurrilen Form der Selbsttherapie zu tun haben, kommt man zu fragen nicht umhin.

Der große Bild- und Farbkompositeur Almodóvar hat dafür eine durchgestaltete Wohnung geschaffen, in der die »Vogue« neben einem Buch von Truman Capote vielsagend arrangiert ist. Die Kamera tut dann, was sie sonst nicht tut. Sie zeigt das Außen, das Filmset, macht klar, dass alles Staffage ist. Alle sollen sehen: Swinton spielt nur die Frau, die das übliche Theater der Beziehungsführung spielt.

Und dann glückt im Film etwas, von dem wir nur träumen können: Das Filmset muss dran glauben, alles wird verbrannt. Der Weg führt nach draußen, wo gänzlich ungespielt ein Neuanfang im Leben möglich ist.

»The Human Voice«, Spanien 2020. Regie und Buch: Pedro Almodóvar. Mit: Tilda Swinton. 30 Min. Jetzt im Kino.

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