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FDP siegt über Mieterschutz
Reparatur des gekippten Vorkaufsrechts ist für Bundes-Ampel nur »Prüfauftrag«
Eines der akutesten und am einfachsten zu lösenden Probleme beim kommunalen Mieterschutz, nämlich die Ausübung von Vorkaufsrechten in Milieuschutzgebieten, scheint in der sich formierenden Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP im Bund eher verhalten angepackt zu werden. »Wir werden prüfen, ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 zum gemeindlichen Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung (Milieuschutzsatzung) gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt«, heißt es lapidar im am Mittwoch vorgestellten Koalitionsvertrag.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Urteil der bisherigen Vorkaufsrechtspraxis nicht nur in Berlin, sondern auch München und vielen weiteren Städten den Boden unter den Füßen weggezogen. Das Vorkaufsrecht »darf von der Gemeinde nicht auf der Grundlage der Annahme ausgeübt werden, dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde«, so die Kernaussage der Mitteilung zum Urteil, dessen schriftliche Begründung noch nicht vorliegt. Auf das Problem hatte Berlin im Zuge der Novellierung des Bundesbaugesetzes im Bundesrat hingewiesen, allerdings hatte die Länderkammer den entsprechenden Änderungsantrag in ihrer Stellungnahme zum Gesetz nicht aufgegriffen.
»Wir warten auf die schriftliche Urteilsbegründung, aber wir schätzen ein, dass sich der Einsatz des Instruments erheblich reduzieren wird«, sagt der Neuköllner Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann zu »nd«. Der Prüfauftrag, zusammen mit dem vom Land Berlin im Bundesrat eingereichten Änderungsantrag, der politischen Aufmerksamkeit und der Tatsache, dass ein SPD-geführtes Ministerium federführend zuständig sein wird, könnte zu einer »verhältnismäßig schnellen Einigung« führen, hofft der Stadtrat. »Ein Selbstläufer wird das aber nicht«, sagt Biedermann.
»Hier besteht definitiv Handlungsbedarf. Da werden wir konsequent dranbleiben!«, verspricht die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe auf Twitter.
»Die Ampel lässt Berlin allein im Kampf gegen den Mietenwahnsinn«, sagt Linke-Abgeordnetenhausmitglied Niklas Schenker zu »nd«. Das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten sei in den letzten fünf Jahren ein wichtiger Baustein für eine soziale Wohnungspolitik gewesen, sagt er. »Während zahlreiche Mieterinnen und Mieter bei Hausverkäufen bangen, kann sich die Ampel nur zu einem Prüfauftrag durchringen. Hier enttäuscht die Ampel auf ganzer Linie«, so Schenker weiter.
Das Bündnis Neues Vorkaufsrecht, das aus über 50 Initiativen, Vereinen und Hausgemeinschaften besteht, kämpft für eine schnelle und rechtssichere Lösung. Zu den Forderungen gehört die Erarbeitung einer Zwischenlösung für klageanhängige Vorkaufsfälle und Häuser, die verkauft werden, bevor das Gesetz überarbeitet ist sowie die Gewährleistung der Einhaltung bereits geschlossener Abwendungsvereinbarungen. Am Dienstag übergaben sie dem Vize-SPD-Bundesvorsitzenden und Berliner Bundestagsabgeordneten Kevin Kühnert ihre Forderungen.
»Fast 12 000 Wohnungen sind seit 2015 durch Vorkäufe oder Abwendungsvereinbarungen gesichert worden«, sagt Bündnissprecherin Luce zu »nd«. »Das zeigt den Handlungsbedarf deutlich.« Für Samstag ruft Neues Vorkaufsrecht jetzt zu einer Demonstration auf. Startpunkt soll um 14 Uhr das Hausprojekt »H48« in der Neuköllner Hermannstraße 48 sein, für das der Vorkauf ausgeübt worden ist, wogegen Käufer und Verkäufer allerdings Klage eingelegt haben.
»Ich will nicht verhehlen, dass ich mir mehr gewünscht hätte«, sagt recht diplomatisch die Berliner Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. »Enttäuschend« nennt den Ampel-Koalitionsvertrag der Berliner Mieterverein. »Mieterhöhungsmöglichkeiten in bestehenden Mietverhältnissen werden nur marginal von 15 auf 11 Prozent in drei Jahren gesenkt, von einer Atempause also keine Spur«, urteilt die Mieterlobby.
»SPD und Grüne haben im Wahlkampf noch für einen ›Mietenstopp‹ geworben, jetzt will die Ampel nicht einmal die weitgehend wirkungslose Mietpreisbremse nachschärfen«, kritisiert Linke-Politiker Niklas Schenker. Auch eine Öffnungsklausel, die den Bundesländern die Einführung eines Mietendeckels erlauben würde, ist nicht vorgesehen. Als »einzigen Lichtblick« identifiziert Schenker die geplante Einführung einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit. Doch sein Gesamtfazit ist niederschmetternd: »Eigentümer und Konzerne werden geschont, stattdessen setzt die Koalition auf Neubau und Eigentumsbildung. Das wird die Probleme verschärfen.«
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