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»Zero Frauenhass« durch Istanbul-Konvention

Jeja nervt: Frauenhass trotz Istanbul-Konvention

  • Jeja Klein
  • Lesedauer: 3 Min.

Die künftige Ampel-Koalition verspricht in ihrem Koalitionsvertrag, die Istanbul-Konvention umzusetzen - »vorbehaltlos«. Das »Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt«, wie das zehn Jahre alte Vertragswerk offiziell heißt, enthält eine ziemlich radikale Utopie. Die Unterzeichnerstaaten haben sich zu nichts Geringerem verabredet und verpflichtet als zur Schaffung eines Europas ohne Gewalt gegen Frauen und ohne häusliche Gewalt. Diese »Vision Zero« ist geschlechterpolitisch so etwas wie die Klimaneutralität in der Umweltpolitik: Frauenfeindliche Gewalt findet in der angestrebten Zukunft schlicht und ergreifend nicht mehr statt.

Doch warum auf ferne Tage warten? Durch die Ratifizierung ist die Konvention eigentlich bereits seit dem Jahr 2018 im Rang eines Bundesgesetzes in Kraft. Passiert ist seither, außer ständigem Fingerzeigen auf Polen, Ungarn oder die Türkei, wenig. Selbst der Umgang mit einem Vertrag, der patriarchale Gewalt ins Reich der Vergangenheit verbannen soll, verläuft also bislang eher klassisch: Der Ausländer ist, jeder weiß es, der schlechte Mann, der Frauen schlecht behandelt - und solange der das darf, muss unsereins all das doch wohl auch dürfen.Die Konvention bezeichnet Gewalt gegen Frauen jedoch, entgegen solchen volkssportlichen Abwehrreflexen, explizit als strukturell bedingt. Sie erkennt sie als Zeugnis traditionell ungleicher Machtverhältnisse an. Ja, auch »bei uns«.

JEJA NERVT

Jeja Klein ist eine dieser Gender-Personen aus dem Internet und nörgelt einmal die Woche an Kultur und Politik herum. dasnd.de/jejanervt

Wenn man kurz beim Bild der Klimaneutralität verweilt, dann ist jeder Mensch, der Gewalt an Frauen nicht als Ausdruck einer historischen Ungleichheit begreift, der Betroffenen eine Mitschuld gibt oder die Notwendigkeit weitergehender Strafgesetze und struktureller Förderungen verneint, so eine Art Leugner*in des Klimawandels. Man könnte auch sagen: »Patriarchatsleugner*in«.

Die Konvention macht etwas Ungewöhnliches. Sie verbietet, neben vielem anderen, sexuelle Gewalt. Unter diesem Begriff fasst sie drei Hauptformen sexuell bestimmten Verhaltens ohne freiwillige Zustimmung, nämlich verbales, nonverbales und körperliches. Entsprechend untersagt sie auch sexuelle Belästigung, statt - wie man es über die deutsche Gesetzeslage sagen muss - den Rahmen abzustecken, in dem sexuelle Belästigung erlaubt ist. Verfahrenseinstellungen à la »Aber Sie wurden doch nur am Bauch angefasst« oder »Er hat Ihnen doch nur ein Angebot zum Geschlechtsverkehr unterbreitet« wären damit etwas, vor dem sich unsere Kinder und Enkel im Geschichtsunterricht gruseln können. In anderen Fächern und in den Medien würden sie übrigens lernen, wie zwischenmenschliche Konflikte ganz prinzipiell gewaltfrei zu führen sind. Und wer dennoch die Regelungen der Konvention überschreitet, muss ihre Einhaltung erlernen und den Betroffenen Schadenersatz zahlen, statt von Gerichten einfach nur zu Geld-, Bewährungs- oder Haftstrafen verurteilt zu werden.

Um die Betroffenen sexueller Gewalt zu unterstützen, müssen die Staaten laut Konvention erreichbare Krisenzentren einrichten. Sie sollen nicht mehr zum Kontakt mit mutmaßlichen Tätern vor Gericht gezwungen werden und ihre Aussagen rechtssicher auch in elektronischer Form dokumentieren können. Um sich über die eigenen Rechte aufklären zu lassen, soll es Rechtsberatungen geben - bezahlt vom Staat. Der holt sich, so will es die Konvention ebenfalls, Schadenersatz von den verurteilten Tätern, wenn die nicht freiwillig zahlen. In der Zwischenzeit geht er den Betroffenen gegenüber in Vorleistung.

Mit so einem Mann müsste auch keine mehr wegen geteilten Sorgerechts gegen ihren Willen Kontakt halten. Und natürlich gilt das alles auch andersherum. Weigert sich der Staat, all diese Dinge zu leisten, und lässt so Betroffene allein, sieht die Konvention vor, dass dann der Staat anstelle des Täters zur Rechenschaft gezogen wird. Prinzipiell also heute schon. Was es also braucht, ist eine Bewegung, die den Staat zur Einhaltung seiner eigenen Verpflichtungen zwingt - null CO2 beim Klima, null Hass gegen Frauen.

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