- Kultur
- Impfkampagne #ZusammenGegenCorona
Bewegung von oben
150 Unternehmen werben für die Corona-Impfung
»Impfen. Ich liebe es«, »Es gibt immer was zu impfen«, »Freude am Impfen« - Ihrem mit Konsumbotschaften überfrachteten Gedächtnis kommen diese Signale bekannt vor? Ja, diese Impfaufrufe erinnern an klassische deutsche Werbeslogans: 150 Unternehmen und Marken haben diese Woche eine Kampagne gestartet, um Menschen zur Corona-Impfung zu motivieren. Für #ZusammenGegenCorona haben die beteiligten Firmen Logos und vor allem ihre Claims angepasst. Das Kreativitätslevel reicht vom minimalistischen »Wir Impfen« (Edeka), über absolute Ernsthaftigkeit (»Impfen rettet Leben«, AOK), Humorvolles (»Alles impfen oder was!«, Müller-Milch) bis hin zu in der PR-Branche leider weitverbreiteten Sprachunfällen (»Impf the Change«, C & A).
Geplant und umgesetzt hat das Ganze eine Berliner Werbeagentur, die auf ihrer Website bedeutungsschwer in feinstem PR-Englisch erklärt, dass sich innerhalb weniger Tage einige der weltweit größten Firmen »the movement« - also der Bewegung - angeschlossen hätten. Ja, da steht wirklich das Wort »Bewegung«. Im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts erdreistet sich die Werbewelt, milliardenschwere Konzerne mit einem Begriff zu bezeichnen, der sonst für Initiativen aus der Bevölkerung steht, seien es die Antirassist*innen von Black Lives Matter, die Klimaaktivist*innen von Fridays for Future oder Deutsche Wohnen & Co enteignen.
Bei #ZusammenGegenCorona handelt es sich um keine Bewegung von unten. Das ist für sich genommen noch nicht dramatisch, weil es einer sinnvollen Sache dient. Impfen ist der zentrale Baustein für den Weg aus dieser Pandemie. Allerdings: Als Kämpfer*innen für eine bessere Welt taugen weder McDonald’s noch BMW oder Porsche. Allein die Übermacht aus 150 Unternehmen lässt vereinzelt in den sozialen Netzwerken kursierende Boykottaufrufe aberwitzig wirken. Harte Impfgegner*innen zeigen sich von der Kampagne unbeeindruckt - bei fast 57 Millionen vollständig geimpften Menschen in Deutschland dagegen wird es einige geben, die jetzt glauben: Geil, die Deutsche Bank gehört doch zu den Guten!
So eine Werbekampagne vernebelt allerdings, dass die beteiligten Unternehmen gesellschaftliches Engagement allenfalls simulieren. Vermutlich würde ein Prozent des Umsatzes all dieser Konzerne reichen, um nicht nur eine globale Impfkampagne zu finanzieren, sondern auch die schlimmsten sozialen Verwerfungen der Pandemie abzumildern. Aber das ist von einer Bewegung von oben eher nicht zu erwarten.
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