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Armes Würstchen auf der Kuschelcouch

In einer Dokumentation lässt sich der ehemalige Gangsta-Rapper Bushido beim gepflegten Hass auf seinen Ex-Manager filmen

Bushido, einst Staatsfeind Nummer eins, heute der Erste auf dem Sofa
Bushido, einst Staatsfeind Nummer eins, heute der Erste auf dem Sofa

Der größte Trick, den der Teufel je gebracht hat, so heißt es in dem Filmklassiker »Die üblichen Verdächtigen« war, die Welt glauben zu lassen, es gäbe ihn gar nicht. Der Teufel aber, so wissen wir nun dank des ehemaligen Gangsta-Rappers Anis Mohamed Youssef Ferchichi, kurz: Bushido, ist nun enttarnt und trägt den Namen Arafat Abou-Chaker, gelernter Kfz-Mechaniker, Unternehmer, Vermieter und Teil der in Berlin berühmten und berüchtigten Abou-Chaker-Familie, deren Oberhaupt er laut eigener Aussage aber auf keinen Fall ist. Abou-Chaker jedenfalls war einst Manager, Freund und »Rücken« (im Deutschrap Synonym für Schutz und Rückhalt) des erfolgreichsten aller Gangsta-Rapper: Bushido. Inzwischen ist er laut Bushido wahlweise: Hund, Fotze, krankes Arschloch, Neandertaler-Spasti und besagter Teufel. Warum sich die beiden nicht mehr verstehen, darum und wer sonst noch alles blöd ist, geht es in der sechsteiligen Amazon-Serie »Unzensiert – Bushido›s Wahrheit« (sic).

Die Serie, gemacht unter anderem von Peter Rossberg, »Bild«-Journalist und Bushido-Vertrauter, produziert von der Springer-Tochter Content-Factory, hat eine Agenda: Bushido inszeniert sich als jahrelang unterdrückter, missverstandener, liebevoller Familienvater, der sich ehrlich für seine Vergangenheit schämt. Alle seine ehemaligen Weggefährten hingegen sind verlogen, schwerst kriminell oder verwirrte Koksköpfe (Capital Bra). Was er nicht mehr ist: Staatsfeind Nummer eins. Wie er da sitzt, in seinem Auto im Trainingsanzug, mal wieder auf dem Weg zu irgendeinem Gerichtstermin oder von irgendwo die Kinder abholen, und reumütig mit den unschuldigen Rehaugen in die Kamera sagt: »Ich schäme mich dafür, was ich damals gesagt habe. Fick die Polizei würde ich nie mehr irgendwie behaupten!«

Was zum Teufel ist passiert, fragt man sich und bekommt die Antwort in fünf seeehr langen Stunden erklärt. Die Rollenverteilung von Gut und Böse ist dabei auch für Grundkurs Deutschrap-Teilnehmer*innen schnell deutlich. Immer, wenn es um Abou-Chaker geht, ordnet ein Ex-LKA-Beamter oder sonst irgendwer von der Polizei, der sich mit sogenannter Clan-Kriminalität auskennt, die Geschehnisse ein. Bushido sieht man hingegen häufig seine Kinder herzelnd in der Jogginghose auf der mit einer Million Kissen bedeckten Monsterkuschelcouch. Etwas anderes als Selbstvermarktung, in kluger Allianz mit dem Boulevard, eines in die Jahre gekommenen Deutschrap-Idols war keinesfalls zu erwarten. Die Beziehung zwischen Bushido und der Springer-Presse gleicht einem Hermann-Teig. Immer und immer wieder gefüttert, reicht der Teig bis in die Ewigkeit.

Dabei hat diese Promosendung durchaus relevante Momente, nämlich dann, wenn sie das mühevoll aufgebaute misogyne Alpha-Chauvischweinimage des Rappers dekonstruiert – und damit die Kunstfigur Bushido. In keiner einzigen brisanten Situation, von denen es in Bushidos Leben wahrlich viele gab, hat er tatsächlich selbst das Heft in der Hand gehabt. Stets, und das ist die wirkliche Überraschung des Formats, ist es eine Frau, die ihm Orientierung und Halt gibt. War das früher seine Mutter, ist es nach ihrem Tod seine Frau, Anna-Maria Ferchichi. Sie ist es, die sich mit Abou-Chaker am Gartenzaun auf dem gemeinsamen Grundstück in Kleinmachnow über den Zugang zum Grillplatz streitet, sie schickt Bushido in den Urlaub, um das Gezanke allein zu klären. Sie schreit Abou-Chaker an, er solle gefälligst nie wieder ihren Mann anschreien. Abou-Chaker wiederum sieht in Frau Ferchichi die Yoko Ono des Gangsta-Raps und will den Störfaktor in seiner Beziehung zu Bushido (no homo) auf brachiale Weise beseitigen und die Frau samt Kindern angeblich entführen lassen. Von da an gibt es für Familie Ferchichi kein Leben mehr ohne Polizeischutz und jetzt wird die Serie wirklich zu großer Unterhaltungskunst.

Während sich die Rap-Posse über Bushidos Geleitschutz lustig macht, gesteht der ein, seine Männlichkeit verloren zu haben. »Ich bin noch nicht mal in der Lage, meine eigene Familie zu beschützen.« Den klügsten Satz in 300 Minuten sagt absurderweise Berlins Innensenator Andreas Geisel: »Ein Leben unter Polizeischutz hat mit Glamour gar nichts mehr zu tun. Arme Würstchen sind dann arme Würstchen.«
Das arme Würstchen jedenfalls arrangiert seinen reumütigen Lebenswandel hochprofessionell, weint an den richtigen Stellen, ist ein begabter Geschichtenerzähler, gewiefter Labelboss und schafft es so, jeden Sidekickrapper, mit dem er früher mal befreundet war, schlecht aussehen zu lassen. Hilfreich wäre gewesen, wie in jedem echten Drama, eine Figurenübersicht gereicht zu bekommen, um den Überblick zu behalten, wer wen wann verraten, belogen und betrogen hat.

Am Ende geht es in Bushidos Wahrheit um alles, nur darum nicht, warum einer, der angeblich rund 40 Millionen Euro im Musikgeschäft verdient hat, in sein eigenes Geschäft für Zierfische einbricht, um die Versicherung zu bescheißen. Es soll eine zweite selbst produzierte Staffel geben. Vielleicht erfahren wir dann die ganze Wahrheit.

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