Reflektierte Lady Bitch Ray

Die Rapperin Reyhan Şahin wird Delegierte der Bundesversammlung.

»Ich dachte, die wollten MICH zur Bundespräsidentin wählen!«, scherzte die Autorin Reyhan Şahin kurz nach Bekanntgabe ihrer ehrenvollen Aufgabe. Auf Vorschlag der Bremer Linksfraktion wird Şahin ihre Geburtsstadt in der Bundesversammlung zur Wahl der*des Bundespräsident*in vertreten. Ob in diesem Kontext ein paar ihrer »feministischen Ergüsse« zu erwarten sind? Unter dem Namen Lady Bitch Ray ergießt die Rapperin nämlich seit vielen Jahren ihre feministischen Überzeugungen, bis hin zu feministischer Theorie in die Deutschrap-Szene. Harter Hip Hop und Feminismus sind für sie kein Widerspruch, obwohl die Auseinandersetzung mit der Szene vor allem das Anprangern von Sexismus bedeutet. Das macht Şahin vielfach mit provokant vulgärer Sprache: So setzt sie sich für mehr »vaginale Selbstbestimmung«, ihr Label heißt »Vagina Style Records« und wer sie erreichen möchte, nimmt Kontakt mit dem »Votzensekretariat« auf. Mancher ihrer expliziten Rap-Texte über weibliche Sexualität werden »pornografische Inhalte« nachgesagt.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Şahin ist aber nicht ausschließlich provokant, sondern auch reflektiert. Sie irritiert vor allem durch das Einreißen der Grenzen zwischen Hip-Hop-Jargon und Intellektualität. In Bremen studierte die Tochter türkischer Einwanderer Linguistik und Germanistik. 2012 promovierte sie über »Die Bedeutung des muslimischen Kopftuchs in Deutschland«. Ihn ihrem 2019 erschienenen Buch »Yalla, Feminismus!« erzählt Şahin von ihren Diskriminierungserfahrungen als Rapperin und in der »Fuckademia«, wie sie die Wissenschaft nennt, und den zugrundeliegenden Strukturen für Sexismus und Rassismus. Wenn der Sprachwissenschaftlerin etwas nicht passt, dann zeigt sie das. Doch ihre heutigen Auftritte sind längst nicht mehr so skandalträchtig wie noch in den Nullerjahren. Für die Wahl des oder der neuen Bundespräsident*in wird sie wohl kaum »die Bitch in sich« aktivieren.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Dazu passende Podcast-Folgen:

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.