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Willkommenskultur auf Italienisch

Kater Rambo erlebt in Kampanien eine Familienzusammenführung der besonderen Art

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.

Ich bin - in aller Bescheidenheit - ein sehr schöner und sehr starker Kater und heiße Rambo, was genau der richtige Name für mich ist. Ich komme aus Tunesien, wo ich vier Jahre lang mit meiner Menschenfamilie gelebt habe - wobei wir Katzen bekanntlich lieber von »Bediensteten« reden. Eines Tages haben meine Menschen ihre Koffer gepackt, mich in einen kleinen Käfig gesteckt und sind mit vielen anderen Personen in Sfax in ein kleines Holzboot gestiegen. Von der Überfahrt nach Sizilien schweige ich lieber, da es für einen Kater nicht gerade rühmlich ist, wenn er über Seekrankheit und ihre unausweichlichen Folgen sprechen muss. Nur so viel: Meinen Menschen und mir ging es in jeder Hinsicht dreckig, wir froren erbärmlich und hatten große Angst. Todesangst, um es genau zu sagen.

Kurz vor Lampedusa hat uns ein Schiff der italienischen Küstenwache ins Schlepptau genommen und in den Hafen der Insel gebracht. Hier wurde ich von meinen Menschen getrennt. Ich sah noch, wie die drei kleinen Töchter, die mich immer besonders gerne und lange gestreichelt hatten, bitterlich weinten. Ich kann zwar nicht weinen, traurig war ich allerdings auch. Aber die Trennung musste wohl sein, denn seltsame Menschengesetze bestimmen, dass Raubkatzen aus Afrika für mindestens sechs Monate in Quarantäne gehen müssen. (Bei Menschen sind es seltsamerweise nur zwei Wochen!)

Zum Glück war meine Isolierung nicht so schlimm wie befürchtet. Ich wurde bei Daniela Palazzo, einer Frau aus Lampedusa, untergebracht, die sich wirklich gut um mich gekümmert hat. Ab und zu durfte ich auch auf die Straße - und ich schwöre, dass ich niemanden angesteckt habe, keine Menschen und auch keine der eleganten italienischen Katzendamen. Aber ein Gentleman schweigt bekanntlich in Herzensangelegenheiten.

Frau Palazzo erzählte mir, dass meine Menschen aufs italienische Festland gebracht worden waren, in ein kleines Dorf namens Ceraso südlich von Neapel. Später erfuhr ich, dass man sie dort mit viel Liebe und Verständnis aufnahm. Doch die drei Mädchen Rayan, Bayan und Farah waren traurig und haben sich schmerzlich nach mir gesehnt. Und ehrlich gesagt: Auch ich habe sie vermisst.

Wendung zum Guten

Was ich damals noch nicht wusste: In jener Zeit zerrissen sich böse oder dumme Menschen das Maul über uns. Ein gewisser Rosario Costanza, Vertreter der rechten Partei Forza Italia, meinte, dass meine Menschen und ich Krankheiten nach Italien und Lampedusa einschleppen und dass Personen, die wirklich in Not seien, doch nicht ausgerechnet mit einem Haustier flüchten. Quatsch! Dieser Mann hat offensichtlich keine Kinder oder Enkelkinder - und auch noch nie ein Tier richtig lieb gehabt!

Mitte Dezember dann die wunderbare Wendung. Erst einmal wurde ich leider wieder in einen kleinen Käfig gepfercht und dann in ein Auto verfrachtet. Frau Daniela und ein Mann namens Totò Martello, den alle »Herr Bürgermeister« nannten, redeten während der Reise (hoffentlich die letzte dieser Art) mit mir, und es ging mir nicht so schlecht wie auf dem schwankenden Boot.

Geste der Menschlichkeit

Schließlich kamen wir in Ceraso an, und ich wurde in ein großes Haus gebracht, auf dem »Rathaus« stand. Und dort warteten meine drei kleinen Mädchen und ihre Eltern Fatma und Ahmed! Wenn ich nicht ein so großer und stolzer Kater wäre und nicht Rambo hieße, wäre ich wahrscheinlich gerührt gewesen. Alle haben mich umarmt und gehätschelt, und dann haben die Erwachsenen Reden gehalten, die mich persönlich und die Mädchen nicht besonders interessiert haben, die Großen aber offensichtlich schon.

Der Bürgermeister von Lampedusa sagte, dass diese »Familienzusammenführung« nur eine »symbolische Geste« sei, aber sie zeige, »dass Frieden, Freundschaft und wirkliche Solidarität möglich sind, wenn man nur den Hass und die Ressentiments gegenüber den Migranten aufgibt«. Auch der Bürgermeister von Ceraso, Aniello Crocamo, sprach von Gastfreundschaft und Integration. Schließlich hat auch Mama Fatma gesprochen: »Unsere Töchter sind so glücklich, dass sie Rambo wieder in den Arm nehmen konnten. Wir möchten denen danken, die all das möglich gemacht haben. Für unsere Mädchen ist das ein Märchen, das wahr wird, und für sie wird dieses sicher ein ganz besonderes Weihnachtsfest.« Für mich übrigens auch - wenn ich denn wüsste, was Weihnachten ist ...

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