Lufthansa findet in Brüssel kein Gehör

Fluggesellschaften drängen auf Lockerungen der Slot-Regelungen und drohen mit Tausenden Leerflügen

  • Fabian Lambeck, Brüssel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Omikron-Welle ist für die Airlines ein herber Rückschlag - nach zwei ohnehin desaströsen Corona-Jahren. Zählte die Flugsicherungsorganisation Eurocontrol 2019 noch mehr als elf Millionen Flugbewegungen über Europa, waren es im ersten Corona-Jahr 2020 noch fünf Millionen. 2021 verlief die Erholung auch nur schleppend: So registrierte Eurocontrol insgesamt 6,5 Millionen Flüge. Damit lag die Branche bei 56 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Und nun meldet die Lufthansa, dass sie wegen der rasanten Ausbreitung von Omikron in den nächsten drei Monaten rund 33 000 Flüge streichen muss. Was dem Klima guttut, ist für die Airlines eine Katastrophe.

Neben den gewaltigen finanziellen Verlusten durch fehlende Ticketverkäufe droht Fluglinien auch der Verlust sogenannter Slots. Das sind Zeitfenster, in denen eine Airline auf einem bestimmten Flughafen starten und landen darf. Es gelten hier »gemeinsamen Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen«, die in einer entsprechenden EU-Verordnung geregelt sind. Demnach müssen Lufthansa und Co. mindestens 80 Prozent dieser Slots innerhalb einer Saison auch nutzen, um ihr Start- und Landerecht in den jeweiligen Zeitfenstern nicht zu verlieren. Erfüllen sie die Quote, dürfen sie die Slots auch in der kommenden Saison nutzen.

Spaß und Verantwortung

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Zeitfenster gerade für internationale Drehkreuze wie Frankfurt/Main oder München sind wertvoll und deshalb heiß begehrt. Weil selbst auf dem größten Airport nur eine begrenzte Anzahl von Starts und Landungen möglich ist, bleibt die Nachfrage stets größer als das Angebot. Die Airlines tun alles, um ihre Start- und Landerechte nicht zu verlieren.

Für Schlagzeilen sorgte jüngst Lufthansa-Chef Carsten Spohr, als er beklagte, dass sein Konzern bis Ende März 18 000 wirtschaftlich unsinnige Flüge durchführen müsse, um die Zeitfenster behalten zu können. Die Airline würde gerne mehr als die erwähnten 33 000 Flüge canceln, darf das aber nicht. Und so düsen Tausende Flieger weitgehend leer durch Europas Luftraum.

Die EU-Kommission hatte die strengen Slot-Regelungen zwar im März 2020 ausgesetzt, fährt die Quoten jetzt aber wieder hoch. In der laufenden Wintersaison müssen die Airlines 50 Prozent ihrer Slots nutzen, ab März soll die Quote auf 64 Prozent steigen. Brüssel rechnet damit, dass der Flugverkehr in dieser Zeit entsprechend zunimmt, und verweist auf Prognosen von Eurocontrol. Demnach könnten dieses Jahr etwa 89 Prozent des Flugniveaus von 2019 erreicht werden.

Allerdings hatte Eurocontrol drei verschiedene Szenarien entwickelt. Die Kommission bezieht sich auf das optimistische »High Scenario«. Das pessimistische »Low Scenario«, das unter anderem berücksichtigt, dass die Impfstoffe nachgebessert werden müssen und dass es in Europa wieder zu Lockdowns kommen kann, erwartet ein Passagieraufkommen von maximal 60 bis 70 Prozent des Vorkrisenniveaus.

Nun wächst der Druck auf die Kommission, die Quoten wieder abzusenken oder ganz auszusetzen. Der belgische Verkehrsminister Georges Gilkinet forderte in einem Brief an die EU-Verkehrskommissarin Adina Valean, die Vorgaben zu lockern, um Leerflüge zu vermeiden. Die Schützenhilfe des Belgiers für die Lufthansa ist nicht ganz uneigennützig. Denn auch die belgische Brussels Airlines hat Probleme mit den Slots und muss 3000 unnötige Flüge durchführen, wie die Zeitung »Le Soir« jüngst aufdeckte. Da Brussels zudem eine Tochter der Lufthansa ist, gehen diese Flüge in die Statistik des deutschen Mutterkonzerns ein.

Die Kommission will aber nicht einlenken und machte jetzt deutlich, dass es für die Airlines bereits Ausnahmeregelungen gebe. Tatsächlich fällt die Quote weg, wenn ein Land zum Hochrisikogebiet erklärt wird. Die nationalen Slot-Koordinatoren können zudem weitere Ausnahmen gewähren. Die Lufthansa beklagt jedoch, dass so ein europäischer Flickenteppich entstanden sei. Die Regeln würden in mehr als 20 Mitgliedsländern gar nicht umgesetzt und in den übrigen sehr unterschiedlich ausgelegt, wie ein Unternehmenssprecher betonte.

Der Journalist und Luftfahrtexperte Cord Schellenberg hält die Klagen der Lufthansa für reine Verhandlungstaktik. Er bezweifelte gegenüber der »Tagesschau«, dass die deutsche Airline tatsächlich 18 000 Leerflüge durchführen werde. Der Frankfurter Konzern könne Flüge auf den begehrten Slots zusammenlegen oder aber kleinere Flieger einsetzen, meint Schellenberg.

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